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Wir übernehmen dankend vom bvvp:

 

Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten e.V.

Stellungnahme

zum Gesetzentwurf der FDP

zur Sicherung einer angemessenen Vergütung
psychotherapeutischer Leistungen

und

zum Antrag der PDS

zur Gewährleistung einer existenzsichernden Vergütung
der psychotherapeutischen Versorgung

(Drucksachen 14/3086 und 14/2929)

Vorgesehene Beratung in der 102. Sitzung des Deutschen Bundestag am 11.5.00

Der bvvp begrüßt außerordentlich die Initiativen der FDP und der PDS, um die Probleme bei der Umsetzung des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) aufgetretene bundesweite Existenzgefährdung der psychotherapeutischen Praxen und damit der Versorgung der Bevölkerung, die ja gerade durch das PsychThG verbessert werden sollte, zu beseitigen. Wir möchten im Hinblick auf die vorgelegten Anträge der FDP und der PDS jedoch auf einige wesentliche Aspekte aufmerksam machen, die u.E. berücksichtigt werden sollten.

 

  1. Zum Gesetzentwurf der FDP zur Sicherung einer angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung (Drucksache 14/3086).

    Die im vorliegenden Entwurf dargelegte Problemanalyse wird von uns geteilt. Der aufgetretene Finanzierungsengpass des Jahres 1999, der zu einen immensen Punktwertverfall führte, muss als Folge von Fehlannahmen und Fehlberechnungen des Psychotherapiebudgets angesehen werden. Wegen der Deckelung des Gesamtbudgets der ärztlichen Vergütung ist dies jedoch nicht nur ein Problem des Jahres 1999, sondern trifft mit unverminderter Härte auch im laufenden Jahr und in den Folgejahren zu, da die Kassenärztlichen Vereinigungen weder bereit noch in der Lage sind, den Fehlbetrag aus dem bestehenden Budget zu decken.

     

    Für das Jahr 1999 ist bereits von einer Unterdeckung von mindestens 1 Milliarde DM auszugehen, obwohl sich viele der neu zugelassenen Praxen noch im Aufbau befinden und längst nicht alle zu erwartenden Leistungserbringer wegen anhängiger Verfahren zugelassen sind, im laufenden Jahr und in den Folgejahren wird sich der zu erwartende Fehlbetrag eher auf 1,5 bis 2 Milliarden DM (120-150% des Budget 1999) belaufen, wenn man den vom Bundessozialgericht im August 1999 für erforderlich gehaltene Mindestpunktwert von 10 Pf ansetzt (vgl. hierzu auch die Berechnungen des Fachausschusses Psychotherapie (Anlage 1).

     

    Bereits an der Größe dieser fehlenden Summen lässt sich ablesen, dass der Rückgriff auf die schon einmal geplante, dann aber wieder ausgesetzte Patientenzuzahlung ein völlig untaugliches Mittel zur Beseitigung des Defizits sein muss. Eine Zuzahlung von DM 10 ,- pro Stunde mit entsprechender Härtefall-Regelung, wie von der FDP vorgeschlagen, würde das Defizit allenfalls um 4-5% verringern. Wenn man die dabei anfallenden Verwaltungskosten und den Verwaltungsaufwand bei Kassen und Behandlern in Rechnung stellt, kann man davon ausgehen, dass hier praktisch keine Einsparungen möglich sind. Hinzu kommt, dass - entgegen der Auffassung im vorliegenden Entwurf - ein therapeutischer Nutzen der Zuzahlung von einem Großteil der psychotherapeutischen Fachleute verneint wird und keineswegs wissenschaftlich erwiesen ist, sondern bei Berücksichtigung aller Bedingungen eher in Zweifel gezogen werden muss. Es ist davon auszugehen, dass sich hierdurch die Zugangsschwelle zur Psychotherapie deutlich erhöhen würde, vor allem bei Patienten unterer Einkommensgruppen, für die allein die Prozedur der Abklärung von Befreiungstatbeständen - unabhängig vom möglichen Freistellungserfolg - zum unüberwindlichen Therapiehindernis würde. Da damit außerdem eine Zunahme von teuren organmedizinischen Fehlbehandlungen und der heute schon viel zu häufigen organmedizinischen Patienten-Umwege vor Aufnahme einer Psychotherapie vorprogrammiert wäre, würde sich die Kosten-Nutzen-Relation absehbar auch zum finanziellen Nachteil verschieben. Der bvvp lehnt daher derartige Zuzahlungs-
    regelungen eindeutig ab und kann seine Position mit einer im Ergebnis gegen die Zuzahlung sprechende, eigene Untersuchung bei 1400 Psychotherapie-Patienten fundieren (Anlage 2). Eine Zuzahlungsregelung ist besonders dann abzulehnen, wenn sie - wie hier geplant - ausschließlich Psychotherapiepatienten betreffen würde und damit eine Diskriminierung dieser Personengruppe darstellen würde.

     

    Zu einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfes:

    Zu Artikel 1 und Artikel 2:

    Es ist sehr zu begrüßen, dass mit Gesetzentwurf der FDP erstmalig eine politische Initiative in den Bundestag getragen wird, die die Notwendigkeit der Aufstockung des ärztlichen Gesamtbudgets zur Finanzierung des Ausbaus der Psychotherapie durch das Psychotherapeutengesetz anerkennt und formuliert. Eine solche Aufstockung ist von essentieller Bedeutung sowohl für das Gelingen der Integration als auch für den Fortbestand der qualifizierten psycho-therapeutischen Praxistätigkeit.

     

    Bereits jetzt hat die Selbstverwaltung (Bewertungsausschuss mit Vertretern der KBV und Krankenkassen) - unter Missachtung der fortlaufenden BSG-Rechtssprechung und der Gesetzesbestimmungen (§ 85, Abs.4 neu) - die Finanzierungslücke per EBM-Beschluss den Psychotherapeuten aufgebürdet mit der Folge, dass diese ab 2000 weniger Honorar pro Behandlungsstunde erhalten werden, als vom BSG definitiv schon für die Jahre 93-95 für erforderlich beurteilt wurde. Die fortgesetzte komplette Finanzierung des Ausbaus der Psychotherapie seit ‘93 aus der ärztlichen Gesamtvergütung hatte bereits vor dem Psychotherapeutengesetz zu massiven - nicht nur honorarpolitischen - Verwerfungen zwischen den Psychotherapeuten und den übrigen Arztgruppen geführt; diese Situation, die ohne Budgetaufstockung innerhalb der Ärzteschaft gar nicht lösbar ist, eskaliert derzeit weiter, gefährdet den gesamten Bestand der qualifizierten Fachpsychotherapie und wirkt sich destruktiv auf die Funktionstüchtigkeit des gesamten Selbstverwaltungssystems aus. Insofern ist das von der FDP in Art.1 und 2 vorgetragene Gesetzesanliegen von entscheidender Bedeutung.

    Zu Artikel 3 Nr.1 - 4:

    Zu den grundsätzlichen Positionen zur Zuzahlungsregelung: s.o. Leider wird mit fachlich nicht begründbaren und empirisch nicht verifizierbaren "therapeutischen Erfordernissen" vermieden, klar zu sagen, was eigentlich beabsichtigt ist: nämlich eine Verlagerung von Kosten auf erkrankte Versicherte.

    Zu Artikel 3 Nr. 5 und 6.:

    Hier muss auf eine Problematik mit negativen Auswirkungen auf die Versorgung hingewiesen werden: Der Gesetzentwurf beschränkt die Zusicherung einer angemessenen, anderen Fachgruppen entsprechenden Vergütung für psychotherapeutische Leistungen, nur auf die ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringer. Eine entsprechend einengende Bestimmung steht leider schon im am 01.01.00 in Kraft getretenen Gesundheitsreformgesetz 2000. Die Umgehung des regulären Vermittlungsverfahrens in der Endphase dieses Gesetzes hatte verhindert, dass eine den Versorgungsnotwendigkeiten entsprechende Einbeziehung aller psychotherapeutisch Tätigen realisiert werden konnte. Infolgedessen sind derzeit in vielen Kassenärztlichen Vereinigungen Honorarverteilungsmaßstäbe in Vorbereitung, die durch Bildung von Psychotherapie-Budgets und Vorab-Abzug der Leistungsanforderung der Vollzeitpsychotherapeuten die Punktwerte der nicht ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte in extrem unwirtschaftliche Bereiche absacken lassen. Voraussehbar wird damit schon aufgrund der aktuellen Gesetzeslage vor allem die kombinierte psychotherapeutische Behandlung ausgetrocknet, so dass die Sicherstellung der Versorgung gerade für eine besonders hilfsbedürftige Patientengruppe gefährdet wird, die nicht nur der medikamentös-psychiatrischen, sondern auch der psychotherapeutischen Betreuung bedarf. Auch bei anderen ärztlichen Fachgebieten, die bisher von psychotherapeutischer Zusatzqualifikation der Behandler profitiert haben (z.B. Hausärzte, Kinderärzte, Gynäkologen), wird so einer sachwidrigen Aufspaltung in einerseits organmedizinische und anderseits psychotherapeutische Versorgung Vorschub geleistet, anstatt im Sinne eines integrativen somato-psychischen Denkens die notwendige Integration dieser Bereiche zu fördern. Es ist daher u.E. unter Sicherstellungsaspekten und versorgungspolitischen Gründen unumgänglich, über die derzeitige Gesetzeslage hinaus auch eine angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen von nicht ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringern gesetzlich zu garantieren.

     

  2. Antrag der PDS zur Gewährleistung einer existenzsichernden Vergütung der psychotherapeutischen Versorgung (Drucksache 14/2929)

Wir teilen die Darstellung und Analyse der Problematik und der dramatischen Versorgungssituation im Antrag der PDS, wie sie als Folge der unzureichenden gesetzlichen Regelung seit Inkrafttreten des PsychThG aufgetreten ist, voll und ganz. Die dringend notwendige Anhebung des Budgets muss aber – wie bereits dargelegt - eine Größenordnung von mindestens 1 Milliarde für 1999 und 1,5 bis 2 Milliarden für die Folgejahre haben, wenn Praxisaufbau und Zulassungsverfahren der neu hinzugekommenen Behandler abge-schlossen sein werden. Alles andere würde die Bedrohung der Psychotherapie entweder nicht beseitigen oder in kürzester Zeit wieder herbeiführen.

Der Gesamt-Finanzbedarf für Psychotherapie bei einem höchstrichterlich für erforderlich beurteilten Mindestpunktwert von 10 Pf., der den Psychotherapeuten ein existenzsicherndes Einkommen - immer noch an der unteren Grenze in der ärztlichen Einkommensskala - erlaubt, muss mit ca. 3,2 Milliarden zukünftig angesetzt werden.

 

Freiburg, den 5. Mai 2000

Für den bvvp e.V.

Norbert Bowe, Vorstandsrefererent


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