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Ihr Kommentar dazu


Vertreterversammlung der KBV am 8.5.2000

1. Bericht des KBV-Vorsitzenden

2. Beschlüsse der Vertreterversammlung zur Psychotherapie


bbpp/08.05.2000

Bericht zur Lage
vor der
Vertreterversammlung der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm

Erster Vorsitzender der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Köln, 8. Mai 2000

Sperrfrist: Beginn der Rede
Es gilt das gesprochene Wort

1. Nach der Reform oder vor der Reform 2000 ?

Das Gesundheitsreformgesetz 2000 ist gerade vier Monate in Kraft. Es macht insbesondere uns Kassenärzten mit den gesetzlichen Vorgaben zur Honorarverteilung unter fortbestehenden stringenten Ausgabenbudgets der Krankenkassen und der ebenfalls fortbestehenden Kollektivhaftung der Kassenärzte für Arznei- und Heilmittelausgaben massivste Probleme.

Liest man jedoch die Osterbotschaften der Tagespresse, drängt sich geradezu der Verdacht auf, dass niemand mehr für diese abgeschlossene Reform Interesse zeigt, sondern die nächste Reformstufe des Gesundheitswesens noch für das Jahr 2000 in greifbare Nähe rückt.

Folgende Auszüge aus den Schlagzeilen der Tageszeitungen mögen dies belegen

  • Bundeskanzler Schröder plädiert für eine "finanzielle geistige und in diesem Falle buchstäblich körperliche Eigenverantwortung der Versicherten" und verabschiedet sich damit von der bisherigen Parteilinie;

  • der Vorsitzende des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Prof. Schwartz, plädiert exakt zur selben Zeit für eine Eigenbeteiligung der Versicherten von 30,-- DM für die Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen im Behandlungsfall und für eine neue Definition des Leistungskataloges mit einer Differenzierung in Kern- und Wahlleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung;

  • VdAK-Chef Rebscher heizt das Osterloch mit der Forderung nach ergebnisorientierter Vergütung an;

  • AOK soll Yuppie-Kassen gründen; FDP regt Gründung von Tochterfirmen als Antwort auf Kassenwechsel guter Risiken an;

  • Barmer: Wir sind auf der Verliererstraße; Ersatzkassenchef fordert Gesetz gegen Wettbewerbsverzerrungen;

  • und last not least: Frau Parlamentarische Staatssekretärin Nickels sieht nach der Landtagswahl in NRW gute Chancen für einen gemeinsamen, parteiübergreifenden Neuansatz einer Gesundheitsreform .

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als schlichter Bürger würde ich mich bei diesem Wechselbad zwischen erhöhter Eigenbeteiligung, Erfolgshonorar und von den Kassen selber initiierten Kassenwechseln zunächst einmal fragen, ob die da oben noch wissen, was sie tun und was sie wollen.

Als qua Amtes mit dem Gesundheitswesen Befasster geht es mir in puncto Wechselbad aber nicht viel besser: Eine weitergehende Gesundheitsreform mit einer Stärkung der Eigenverantwortung der Versicherten und einer Entlastung der Lohnnebenkosten durch eine Differenzierung zwischen Kern- und Wahlleistungen: Ja, das haben wir doch schon im Vorfeld der Strukturreform 2000 gefordert, und das werden wir auch bei einem 'Neuanfang' dieser Reform wieder einfordern, damit bei begrenzten Finanzmitteln die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auf das medizinisch Notwendige reduziert werden können.

Erfolgsabhängige Honorierung à la Rebscher gehört allerdings in die Mottenkiste einer längst geführten Grundsatzdiskussion in den Jahren 1997 und 1998. Wir haben damals diesem Thema ein eigenes Symposion in Königswinter gewidmet, dessen Ergebnis nichts hinzuzufügen ist. Der Arzt kann seinen Patienten nicht den Heilerfolg garantieren, weil dieser Heilerfolg nicht ausschließlich vom Verhalten des Arztes, sondern zum Teil ganz überwiegend vom Fortschritt einer Erkrankung, vom Verhalten des Patienten und seiner körperlichen Konstitution und auch von seinem sozialen Umfeld abhängig ist. Deswegen sagen die Juristen zu Recht, dass der Behandlungsvertrag zwischen Patient und Arzt kein Werkvertrag, sondern ein Dienstvertrag ist, in dem der Arzt sorgfältige, den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Leistungserbringung, aber nicht einen bestimmten Heilerfolg schuldet. Das alles ist Herrn Rebscher selbstverständlich bekannt. Warum er trotzdem die Osterpause zu solch spektakulären Offenbarungen an seine Versicherten benutzt, ist letztlich unergründlich.

Sollte damit nur ein Aufmerksamkeitseffekt für die Ersatzkassen verbunden sein, so muss sich Herr Rebscher aus ärztlicher Sicht die Frage gefallen lassen, wieviel Verunsicherung er den Patienten im Versichertenkollektiv der Ersatzkassen eigentlich noch zumuten will. Reicht es denn nicht, dass die Ersatzkassen ebenfalls in der Osterwoche signalisieren, dass sie sich auf der Verliererstraße befinden, weil die guten Risiken zu virtuellen Betriebskrankenkassen wechseln; soll jetzt als Reklame für die Ersatzkassen auch noch das Erfolgshonorar für gut versorgte Patienten herhalten? Dabei will Herr Rebscher den Umkehrschluss seiner Osterbotschaft schon gar nicht mehr gelten lassen. Selbstverständlich, so seine Korrekturbotschaft, haben auch Patienten, deren Heilerfolg nicht mehr garantiert werden kann, einen Anspruch auf optimale Versorgung.

Diese verfehlte Osterbotschaft schadet dem gemeinsamen Anliegen einer stärkeren Qualitätsorientierung der medizinischen Versorgung, die wir u.a. als Ergebnis des damaligen Symposions in einer Reihe von Modellversuchen gemeinsam mit den Krankenkassen zur Zeit erproben. In meinem Bericht zur Lage kann ich im Detail darauf nicht eingehen, ich verweise jedoch auf die in vielen KVen schon praktizierten Diabetes-Programme, neue Ansätze für Asthma, Rheuma, Koronar- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Solche erfolgreichen Ansätze qualitätsorientierter Versorgungsstrukturen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer nur ein schmaler Bereich der Medizin entsprechend leitlinien-gestützt erfasst und strukturiert werden kann und niemals im Einzelfall konkrete Behandlungsergebnisse garantiert werden können. Deswegen hat Herr Rebscher mit seiner Osterbotschaft diesen Bemühungen um eine stärkere Qualitätsorientierung einen schlechten Dienst erwiesen.

In jedem Fall reformbedürftig ist aber das bisher praktizierte Risikostrukturverfahren zwischen den gesetzlichen Krankenkassen. Diese Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass eben nur ein geringer Teil des Morbiditätsrisikos im Ausgleichsverfahren berücksichtigt wird. Dies wird in dem Maße offensichtlich, wie immer mehr gute Risiken aus den alten Krankenkassen in sog. virtuelle Betriebskrankenkassen abwandern. Die Geschädigten - Ersatzkassen und Ortskrankenkassen - fordern deshalb eine Änderung des Ausgleichsverfahrens. Selbst wenn der Risikostrukturausgleich um Morbiditätskriterien erweitert würde, wäre das Problem der Ärzteschaft mit dem Wettbewerb der Kassen nicht gelöst. Unser Problem ist die mit jedem Kassenwechsel verbundene Absenkung der Kopfpauschalen als Grundlage der Gesamtvergütung der vertragsärztlichen Versorgung, was immerhin in Berlin zu geschätzten Mindereinnahmen in der Größenordnung von bis zu 35 Mio. DM pro Jahr geführt hat.

Unser Problem ist aber auch die Tendenz solcher Betriebskrankenkassen, durch Wechsel des Verwaltungssitzes die Grundlagen der Vereinbarung von Kopfpauschalen einseitig zu ihren Gunsten zu verändern und damit die Kassenärztlichen Vereinigungen massiv unter Druck zu setzen. Wir halten es gemeinsam mit den Gesundheitspolitikern der SPD für nicht vertretbar, die Lösung dieses Problems weiter zu verschieben und etwa das vom Bundesgesundheitsministerium ausgeschriebene Gutachten zum RSA abzuwarten. Deswegen müssen wir auch bereit sein, eigene Lösungsansätze einzubringen. Diskutiert wird dabei eine Umstellung der bisherigen Kopfpauschalen auf Versichertenpauschalen. Diese müssen sich am individuellen Morbiditätsrisiko des Versicherten, zumindest aber am Normkostenprofil des Risikostrukturausgleichs ausrichten und alle Krankenkassen umfassen. Eine solche Zwischenlösung wäre zu akzeptieren. Sie gilt, solange wir Budgets haben und RLV noch nicht vertraglich vereinbart werden können.

Der von Herrn Professor Schwartz erneut in die politische Diskussion eingebrachte Vorschlag einer Eigenbeteiligung des Versicherten für die Inanspruchnahme der ärztlichen Behandlung ist bereits auf Ablehnung durch ärztliche Berufsverbände gestoßen, da er den Zugang des Patienten zu seinem Arzt erschwert. Insbesondere für die hausärztliche Versorgung würde auch bei Ausklammerung präventiver Leistungen die mit der Strukturreform 2000 beabsichtigte Stärkung des hausärztlichen Versorgungsangebotes schnell zu einer massiven Reduzierung der Inanspruchnahme von Hausärzten mit der Gefahr einer Verschleppung von Erkrankungen führen. Die Haltung der Ärzteschaft zur Eigenbeteiligung der Versicherten an den ärztlichen Behandlungskosten ist jedoch nicht einheitlich. Im Zusammenhang mit einem Neuansatz für eine Gesundheitsreform wird man sich deswegen auch diesem Thema stellen müssen, wobei allerdings zur Vermeidung von Gefahren für die Qualität der medizinischen Versorgung differenziertere Ansätze gefunden werden müssten, als dies von Herrn Professor Schwartz bisher vorgetragen wurde. Aus unserer Sicht sollte Eigenverantwortung stärker beim Versicherten und nicht nur beim Patienten einsetzen. Unter keinen Umständen darf die Erhebung einer solchen Eigenbeteiligung in die Arztpraxis hereingetragen werden. Denn dann besteht die Gefahr, dass ein nicht an der Qualität der Leistung, sondern am Verzicht auf den Selbstbehalt des Patienten ausgerichteter Wettbewerb unter Ärzten entsteht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

sollte es nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen zu einem Neuansatz der Strukturreform 2000 kommen, dann muss in Konsequenz unserer strikten Ablehnung der sektoralen Ausgabenbudgetierung die Reformdiskussion um die Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung und um die ausschließlich ökonomische Steuerung der Leistungsausgaben in ihrer vollen Breite wieder eröffnet werden. Dabei bleibt unsere Forderung nach Abschaffung dieser sektoralen Budgets sowohl für den Bereich der vertragsärztlichen Gesamtvergütung, als auch für die Arznei- und Heilmittelversorgung ebenso bestehen wie die Aufrechterhaltung des Sicherstellungsauftrages für die gesamte sozialversicherte Bevölkerung und damit die verpflichtende Einbindung Kassenärztlicher Vereinigungen in den Abschluss von Integrationsverträgen und vergleichbaren Modellvorhaben.

2. Die Reform 2000

Noch sind die Diskussionen um einen Neuansatz der Strukturreform im Gesundheitswesen allerdings Spekulation. Noch steht im Zentrum der Auseinandersetzungen die Anwendung der gerade erst zum 1. Januar d.J. in Kraft getretenen Vorschriften des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat sich trotz massiver Bedenken dazu entschlossen, sich diesem Gesetz gegenüber nicht in toto zu verweigern, sondern das Gesetz so sachgerecht wie möglich anzuwenden, insbesondere soweit es die darin vorgeschriebenen Veränderungen der Versorgungs- und Vergütungsstrukturen betrifft. Damit sollen insbesondere weitere Auseinandersetzungen zwischen Haus- und Fachärzten ebenso vermieden werden wie rechtliche Auseinandersetzungen, die bei einer Nichtanwendung dieser gesetzlichen Vorschriften zu erwarten gewesen wären. Soweit es die aus unserer Sicht unhaltbare Fortschreibung einer Kollektivhaftung der Vertragsärzte für die Ausgaben der Krankenkassen aus der Arznei- und Heilmittelversorgung betrifft und soweit wir gesetzlich dazu verpflichtet worden sind, aus den ohnehin reduzierten Gesamtvergütungsanteilen der fachärztlichen Versorgung erhöhte Vergütungsansprüche der psychotherapeutischen Versorgung zu bedienen, werden wir die rechtliche Auseinandersetzung selbst aktiv betreiben, um diese unhaltbaren Zustände zu beseitigen. Auch der Schwerpunkt unserer politischen Gespräche, die wir intensiv mit Vertretern der Regierungskoalition und der Opposition führen, liegt in diesen beiden Bereichen.

Den Gesetzesauftrag zur Aufteilung der vertragsärztlichen Gesamtvergütung in einen hausärztlichen und in einen fachärztlichen Vergütungsanteil haben wir zeitgerecht erfüllt. Wir mussten uns dabei eng an die gesetzlichen Vorschriften halten, da bei den auch insoweit zu erwartenden rechtlichen Auseinandersetzungen kein Handlungsspielraum bestand. Dies gilt auch für die Einordnung der Psychotherapie in den fachärztlichen Vergütungsanteil, soweit die Leistungen durch psychologische Psychotherapeuten bzw. ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte erbracht werden.

Für die psychotherapeutischen Leistungen haben wir entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung die Grundlagen einer Punktwertfestsetzung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen im Bewertungsausschuss festgelegt. Dabei sind die vom Bundessozialgericht aufgestellten Berechnungskriterien sinngemäß angewandt worden. Hier muss es die gemeinsame Forderung von Vertragsärzten und Psychotherapeuten bleiben, dass gutachterpflichtige psychotherapeutische Leistungen, die zudem von den Krankenkassen im Einzelfall genehmigt werden müssen und die wegen ihres Zeitbezuges für den einzelnen Leistungserbringer zahlenmäßig begrenzt sind, nicht aus einem Ausgabenbudget zu finanzieren sind, sondern von den Krankenkassen selbst als Einzelleistung vergütet werden müssen. Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen. Über die Angemessenheit des Punktwertes werden letztlich die Gerichte zu entscheiden haben. Bemerkenswert ist, dass das Bundessozialgericht eine Ausnahmeentscheidung zur Angemessenheit der Vergütung in der Psychotherapie getroffen hat. Eine solche Entscheidung fordern wir bisher vergeblich für alle ärztlichen Leistungen. Wir können uns aber in keiner Weise damit zufrieden geben, dass sich solche Entscheidungen nur in der Honorarverteilung und damit zu Lasten anderer Arztgruppen auswirken und fordern stattdessen die Vereinbarung von arztgruppenbezogenen Regelleistungsvolumen mit den Krankenkassen.

2.1 Neuordnung des vertragsärztlichen Vergütungssystems

Der Gesetzgeber hat uns mehrere Einzelaufträge zur Neuordnung des Vergütungssystems erteilt. So sollte bereits bis Ende März ein Hausarztkapitel neu beschlossen werden. Bis Ende dieses Jahres sollen Veranlasser-bezogene Vergütungsstrukturen für medizinisch-technische Großgeräte eingeführt und der Katalog ambulanter Operationen um stationsersetzende Eingriffe erweitert und innerhalb dieses Kataloges eine Definition solcher Leistungen erfolgen, die üblicherweise ambulant erbracht werden müssen.

Vorstand und Länderausschuss waren gemeinsam der Auffassung, dass eine solche erneute partielle Veränderung des EBM nicht sachgerecht ist und insbesondere die Neugestaltung des Hausarztkapitels ohne gleichzeitige Neufassung auch des fachärztlichen Leistungsverzeichnisses keinen Sinn macht. Dem sind auch die Spitzenverbände der Krankenkassen gefolgt. Gemeinsames Ziel ist eine grundlegende Reform des EBM zum 1. Januar 2001, ein neuer EBM 2000 Plus, wie er in dieser Vertreterversammlung in seinen Grundzügen bereits dargestellt worden ist. Dieses Zeitziel ist nur unter maximalen Anstrengungen nur bei aktiver Beteiligung der Krankenkassen und bei einer Einigung über ein neues Bewertungssystem zu erreichen. Wir müssen jedoch aus folgenden Gründen diesen Zeitplan unbedingt einhalten:

(1) Der im Gesetz mit dem 31. März 2000 definierte Auftrag, das Leistungsverzeichnis des EBM in hausärztliche und fachärztliche Leistungen zu untergliedern, lässt sich nicht beliebig verschieben. Schon jetzt gibt es massive Proteste der Hausärzte wegen der Nichteinhaltung dieser gesetzlichen Frist. Zwar haben wir gesetzeskonform das Gesamtvergütungsvolumen für die hausärztliche Versorgung zeitgerecht festgelegt. Doch zur Definition des hausärztlichen Versorgungsangebotes und für die Vergütungssituation des einzelnen Hausarztes bedarf es einer zügigen Einführung des neuen EBM.

(2) Die Internisten können die von ihnen gesetzlich abverlangte Entscheidung für die hausärztliche oder fachärztliche Versorgung zum 1. Januar 2001 nur auf der Grundlage des neuen Leistungsverzeichnisses und der dazu beschlossenen Bewertungen treffen. Dies wiederum bedeutet, dass spätestens zu Beginn des IV. Quartals die Beschlussfassung des Bewertungsausschusses zumindest zu den Kapiteln "Hausärztliche Versorgung" und "Internistische Versorgung" erfolgt. Bei Nichteinhaltung dieses Termins müsste die Einführung von Zulassungsbeschränkungen im Verhältnis der hausärztlichen Versorgung zur internistisch fachärztlichen Versorgung verschoben werden. Es kann den Internisten nicht zugemutet werden, eine ihre wirtschaftliche Existenz grundlegend verändernde Entscheidung ohne ausreichende Basis treffen zu müssen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wird sich daher für den Fall, dass der Zeitplan für die EBM-Reform nicht eingehalten werden kann, gemeinsam mit den Internisten für eine zeitliche Verschiebung dieser Fristen einsetzen.

(3) Auch für das Krankenhaus ist in Form von Fallpauschalen ab 2003 ein neues Vergütungssystem vorgesehen, dessen Grundlagen nach den gesetzlichen Vorgaben jedoch bereits im Jahre 2000 gelegt werden müssen. Der bis Ende dieses Jahres neu zu gestaltende Katalog ambulanter Operationen und stationsersetzender Eingriffe zeigt die Schnittstelle zwischen vertragsärztlicher Versorgung und Krankenhausbehandlung deutlich auf, die bei einer Neugestaltung des EBM berücksichtigt werden muss. Zwischen der Vergütung stationärer Leistungen, die künftig mit Fallpauschalen leistungsbezogen erfolgen soll, und der Vergütung vergleichbarer ambulanter Leistungen darf kein Missverhältnis eintreten, wenn dem Grundsatz 'ambulant vor stationär' Geltung verschafft werden soll. Für die Einführung von Fallpauschalen im Krankenhaus ist ein international anerkanntes Bewertungssystem gesetzlich vorgegeben. Eine eigenständige Gestaltung eines solchen Fallpauschalierungssystems für die Bundesrepublik ist dadurch eher nicht ausgeschlossen. Bei der Leistungsdefinition und der Leistungsbewertung operativer und stationsersetzender Eingriffe muss deshalb eine synchrone Entwicklung gewährleistet sein. Auch das setzt uns mit der Neugestaltung des EBM unter erheblichen Zeitdruck.

(4) Die Auffassung innerhalb der Ärzteschaft zu den 1997 in den EBM eingeführten Praxisbudgets ist nach wie vor kontrovers. Einige Arztgruppen haben sich an die Praxisbudgets gewöhnt, andere bisher nicht budgetierte Arztgruppen fordern zur Vermeidung eines weiteren Punktwertverfalls geradezu solche Praxisbudgets ein, während sie von anderen Arztgruppen gerichtlich in ihrer Rechtmäßigkeit angegriffen werden. Eines aber ist sicher: So, wie die Praxisbudgets jetzt berechnet sind, können sie keinen Fortbestand haben. Sie müssten vielmehr an neuere Kostenkalkulationen angepasst werden. Dies bedeutete nicht nur eine aufwendige Neuberechnung aller Praxisbudgets. Daraus resultierte auch eine erneute Umverteilung innerhalb der Arztgruppen mit vergleichbaren Auswirkungen, wie wir sie bei der Einführung der Praxisbudgets bereits hatten. Aus Sicht des Vorstands ist deswegen der Zeitpunkt gekommen, sich definitiv von den Praxisbudgets zu trennen und andere Instrumente der Leistungssteuerung einzuführen.

Der Vorstand hat aus den vier genannten Gründen beschlossen, noch in dieser Wahlperiode die notwendigen Grundlagen für eine Novellierung des EBM möglichst zu Beginn des nächsten Jahres zu schaffen. Dabei beinhaltet das Konzept des Vorstandes drei wesentliche Bestandteile:

(1) Mit dem Ankauf der Lizenz eines Kalkulationsinstrumentes für den Schweizer Vergütungstarif für ärztliche Leistungen sollen die Grundlagen einer einheitlichen Kalkulation eines neuen EBM anhand betriebswirtschaftlicher Kriterien geschaffen werden. Wir sparen damit die Zeit ein, die wir in der Bundesrepublik benötigen würden, um originär ein vergleichbares Kalkulationssystem zu erarbeiten. Selbstverständlich werden wir aber dieses Kalkulationsinstrument mit unseren eigenen Daten bestücken und anders als der Schweizer Tarif auch nicht mit einer Vielzahl von Einzelleistungspositionen in die Verhandlungen mit den Krankenkassen zu einem neuen EBM treten. Doch auch Leistungskomplexe, wie wir sie für die einzelnen Arztgruppen vorzugsweise einführen wollen, bedürfen einer betriebswirtschaftlichen Grundlage und müssen deswegen anhand ihrer Leistungsbestandteile bewertet werden.

(2) Wir fordern nach wie vor politisch die Ablösung des sektoralen Ausgabenbudgets durch Einführung von Regelleistungsvolumen, die auf KV-Ebene mit den Verbänden der Krankenkassen vereinbart werden, und zwar als vom Vertragsarzt mit einem vereinbarten Punktwert abrechnungsfähiges Leistungsvolumen. Bei dessen Überschreiten soll eine Abstaffelung der von den Krankenkassen zu leistenden Vergütungen erfolgen.

Dieses Ziel lässt sich jedoch nicht kurzfristig, vor allem nicht sachgerecht auf der Grundlage der jetzt im EBM enthaltenen Praxisbudgets erreichen. Gerade wenn wir ein neues Leistungsverzeichnis betriebswirtschaftlich durchkalkulieren und danach die Punktzahlrelationen ausrichten, bedarf es bei Ablösung der Praxisbudgets einer Steuerung des vom Arzt abrechnungsfähigen Punktzahlvolumens. Das Gesundheitsreformgesetz 2000 gibt uns insoweit die Möglichkeit, nicht im EBM selbst, sondern als allgemeine Grundlage der Honorarverteilung ein solches Steuerungsinstrument mit den Krankenkassen auf Bundesebene verbindlich zu vereinbaren. Auf dieser Grundlage wollen wir mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen ähnlich der Struktur von Regelleistungsvolumen ein Grenzpunktzahlvolumen festlegen, durch die Kassenärztlichen Vereinigungen in deren jeweiligem Honorarverteilungsmaßstab näher auszugestalten ist.

(3) Flankierend zur Einführung eines neuen EBM soll ein Morbiditätsindex erarbeitet werden, der die gegenwärtige Versorgungssituation insgesamt und zunächst bezogen auf einzelne Krankheitsbilder den Versorgungsbedarf bei Einführung Leitlinien-gestützter evaluierter Versorgungsstrukturen erfassen soll.

Die Erstellung dieses Morbiditätsindex soll in zwei Stufen erfolgen:

  • Zunächst soll der Ist-Bestand der Versorgung an einer Patientenstichprobe aus den Jahren 1998/1999 unter Anpassung eines in den Vereinigten Staaten entwickelten und dort auch praktizierten diagnosebezogenen Codierungssystems ermittelt werden. Dabei erlaubt der Morbiditätsindex nicht nur eine versichertenbezogene - selbstverständlich anonymisierte - Erfassung von Patientenkarrieren auch über die Versorgung durch mehrere Arztgruppen hinweg. Ermittelt wird auch ein auf die Gesamtmorbidität jedes Versicherten bezogener Jahreskostenbetrag.

  • In der zweiten Stufe soll zunächst anhand ausgewählter Diagnosen mittels gesicherter medizinischer Leitlinien der Soll-Versorgungsbedarf für die ambulante medizinische Versorgung ermittelt werden. Dazu werden wir das Kalkulationssystem des EBM 2000 sowie die bereits für den EBM 2000 erworbene Schweizer Datenbank als Bewertungsgrundlage heranziehen.

Beide Stufen des Morbiditätsindex sollen uns in die Lage versetzen, den Versorgungsbedarf der ambulanten Versorgung und seine Entwicklung besser als bisher darzustellen. In Zukunft wollen wir in der Lage sein, den Krankenkassen gegenüber auf dieser Grundlage unsere Forderung nach angemessener Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen zu verdeutlichen. Wir werden diesen Versorgungsbedarf auch mit den betroffenen Patientengruppen abstimmen und sie darüber aufklären, in welchem Umfang ihre Versorgung durch die Gesamtvergütungen der Krankenkassen abgedeckt sind. Ist die Finanzierung einer bedarfsgerechten Versorgung auf dieser Grundlage nicht gewährleistet, werden die Krankenkassen zu entscheiden haben, welche Menge an Leistung sie mit der von ihnen zur Verfügung gestellten Geldmenge finanzieren wollen und können. Was wir nicht mehr akzeptieren werden und grundsätzlich beenden müssen, ist die Erbringung einer unbegrenzten Menge an Leistungen zu einer begrenzten Geldmenge. Wer Geld für fünf Brötchen hat, bekommt beim Bäcker nicht zehn! Vielmehr muss über das neue Vergütungssystem eine ausgewogene Relation zwischen Leistungsmenge, Leistungsqualität und Geldmenge erreicht werden, wobei wir die Vereinbarung von Regelleistungsvolumen mit den Krankenkassen als die notwendige Grundlage hierfür einfordern.

Der Aufbau eines solchen Morbiditätsindex erfordert zusätzliche Haushaltsmittel, die wir trotz der auf die KBV zukommenden Umzugskosten nach Berlin für erforderlich halten, um die Ärzteschaft aus der bestehenden, absolut unbefriedigenden Vergütungssituation herauszubringen. Dabei sind die Erfolge dieser Bemühungen sicherlich nicht kurzfristig zu erzielen. Es ist jedoch eine notwendige Investition in die Zukunft, die wir auch vor dem Hintergrund anstehender Integrationsverträge und einer veränderten Vergütungssituation am Krankenhaus dringend benötigen. Ich bitte Sie deswegen eindringlich, den Vorstand in dieser Zielsetzung zu unterstützen und nachher unter dem Tagesordnungspunkt "Finanzen" die nötigen Entscheidungen zu treffen.

a. Integrationsversorgung

Politisches Kernstück des Gesundheitsreformgesetzes 2000 sind die Vorschriften zur Integrationsversorgung und zur Erleichterung von Modellvorhaben der Krankenkassen. Damit sollen nach den Vorstellungen der Regierungskoalition die Bedenken gegen sektorale Ausgabenbudgets durch sektorübergreifende Integrationsverträge ausgeräumt werden. Integrationsversorgung beinhaltet dabei für die einzelne Krankenkasse das Recht, über die verschiedenen Leistungssektoren hinweg mit Gruppen zugelassener Leistungserbringer Direktverträge zur Übernahme der vollen oder partiellen Verantwortung für die medizinische Versorgung von Versicherten abzuschließen, die diese neue Form der Versorgung ausdrücklich wählen.

Entscheidender Streitpunkt in der Gesetzgebungsphase war der Erhalt des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen für die vertragsärztliche Versorgung, auch soweit Vertragsärzte in der Integrationsversorgung tätig werden. Das Verhalten von Krankenkassen und Regierungskoalition zu dieser Frage war mehr als widersprüchlich. Während die Krankenkassen in internen Gesprächen mit uns immer wieder betont haben, dass es ihnen nur darum gehe, ein Vetorecht der Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber von ihnen gewünschten Integrationsverträgen und Modellvorhaben auszuschließen, haben insbesondere Ersatzkassen und Betriebskrankenkassen im Verhältnis zur Politik die Ausgrenzung von Integrationsverträgen aus dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen aktiv betrieben.

Innerhalb der Politik hat Frau Bundesgesundheitsministerin Fischer zwar verbal betont, dass am Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht gerüttelt werde. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass im BMG bei der Erarbeitung des Gesetzesentwurfes und der Formulierungsvorschläge für den Gesundheitsausschuss die schrittweise Abschaffung des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen durch Ausbau der Integrationsversorgung als künftige Regelversorgung so gut wie beschlossene Sache war. Frau Ministerin Fischer muss daher vorgehalten werden, dass sie in ihren Gesprächen mit Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung diesen Sachverhalt entweder verschwiegen hat oder sie über die Ziele ihrer Mitarbeiter nicht hinreichend informiert war.

Dagegen hat sich die SPD nach anfänglichem Zögern eindeutig für die Beibehaltung des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen auch in der Integrationsversorgung ausgesprochen, jedoch bei Modellvorhaben den Krankenkassen mehr Rechte einräumen wollen. Auch hier muss allerdings festgestellt werden, dass der eine oder andere SPD-Abgeordnete nicht traurig darüber war, dass die obligatorische Einbindung der Kassenärztlichen Vereinigungen in Integrationsverträge letztlich an der Notwendigkeit einer zustimmungsfreien Vorlage des Vermittlungsausschusses gescheitert ist.

Auf ausdrückliches Betreiben von Rudolf Dreßler ist im Deutschen Bundestag bei der Verabschiedung des Gesundheitsreformgesetzes dann allerdings eine Resolution verabschiedet worden, in der eindeutig der politische Wille der Regierungskoalition zum Fortbestand des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen auch für die Integrationsversorgung bekräftigt und die Absicht erklärt wurde, sobald als möglich eine entsprechende Klarstellung im Gesetz vorzunehmen. In einer im April d.J. mit Rudolf Dreßler und nahezu allen Mitgliedern des SPD-Gesundheitsausschusses durchgeführten ganztägigen Veranstaltung der KBV wurde diese Resolution nochmals ausdrücklich bekräftigt. Gleichzeitig wurden Gespräche mit den Krankenkassenvorständen angekündigt, um auch mit ihnen die Aufnahme entsprechender Regelungen in die gesetzlich vorgeschriebene Rahmenvereinbarung zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Spitzenverbänden der Krankenkassen abzustimmen. Dieses Gespräch mit den Vorständen der Spitzenverbände der Krankenkassen soll im übrigen in dieser Woche stattfinden. Wir sind auf das Ergebnis gespannt!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich habe diese Entstehungsgeschichte der Vorschriften zur Integrationsversorgung deswegen nochmals dargestellt, weil wir jetzt in Ausführung des Gesetzes als Kassenärztliche Bundesvereinigung vor den entscheidenden Verhandlungen zum Abschluss der genannten Rahmenvereinbarung mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen stehen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben uns vor etwa zwei Wochen ihren Entwurf einer solchen Rahmenvereinbarung zugeleitet, der im wesentlichen eine Wiedergabe des Gesetzestextes darstellt und an den entscheidenden Passagen den Krankenkassen einseitige Gestaltungsmöglichkeiten ohne Mitwirkung der Kassenärztlichen Vereinigungen zugestehen soll. Das Votum der SPD zur notwendigen Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen an den Integrationsverträgen hat in diesem Entwurf eines Rahmenvertrages überhaupt keinen Niederschlag gefunden. Die Krankenkassen haben auf Befragen im Vorfeld erklärt, dass dieses Votum im Gesetz selbst nicht enthalten sei und sie sich deswegen daran auch nicht gebunden fühlten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Kassenärztliche Bundesvereinigung wird in den Verhandlungen über die Rahmenvereinbarung mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen auf der Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift zur Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen am Abschluss von Integrationsverträgen bestehen. Sie wird die Spitzenverbände der Krankenkassen vor die Alternative stellen, entweder die Kassenärztlichen Vereinigungen auch in der Rahmenvereinbarung als Vertragspartner ausdrücklich zu akzeptieren. Dann könnten die übrigen Vorschriften zur Ausfüllung des sehr komplizierten Regelungssachverhaltes der §§ 140 ff. relativ großzügig und flexibel erfolgen, weil die Kassenärztlichen Vereinigungen vor Ort entsprechend zu beteiligen wären. Oder aber der Gesetzesauftrag muss minuziös in Form von eindeutigen Rahmenvorgaben für Integrationsverträge umgesetzt werden, damit der Vertragsspielraum der Vertragspartner vor Ort so eingeschränkt ist, dass der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht durchbrochen werden kann. Letzteres dürfte dann zu einer Festsetzung des Rahmenvertrages durch das Bundesschiedsamt führen, das bei Nichteinigung der Vertragspartner bis zum 30. Juni 2000 innerhalb von drei Monaten, also bis Ende September 2000 den Vertragsinhalt festzusetzen hätte.

Ich appelliere deswegen auch von dieser Stelle an die Spitzenverbände der Krankenkassen, sich nicht am formalen Gesetzestext, sondern am politischen Willen der Regierungskoalition auszurichten und den Kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmenvertrag eine verbindliche Option zur Teilnahme an den Vertragsverhandlungen und am Vertragsabschluss von Integrationsverträgen einzuräumen, wobei bei Nichteinigung ein Konfliktlösungsinstrument von uns ausdrücklich angeboten wird.

Diese Wahrung des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen - auch für eine die vertragsärztlichen Leistungen umfassende Integrationsversorgung - ist keineswegs eine Formsache oder ein Pochen auf Wahrung von Besitzständen. Der Sicherstellungsauftrag ist vielmehr von essentieller Bedeutung für die Versorgung, weil andernfalls das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik - vergleichbar den HMO-Strukturen in den Vereinigten Staaten - in kassenbezogene Versorgungssysteme zu zersplittern drohte und niemand mehr Verantwortung für eine umfassende qualitätsgesicherte Versorgung aller Versicherten unabhängig von der Kassenzugehörigkeit zu tragen hätte. Gerade weil der Gesetzgeber den einzelnen Krankenkassen das Recht zum Abschluss von Integrationsverträgen mit Vertragsärzten, Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen unmittelbar eingeräumt hat und im Wettbewerb der Krankenkassen untereinander diese hiervon in unterschiedlichster Form Gebrauch machen werden, bedarf es zur Wahrung einheitlicher Versorgungsstrukturen für die gesamte sozialversicherte Bevölkerung des Garanten einer medizinischen Versorgung, und zwar auch in solchen Bereichen, wo einzelne Kassen nur wenig Versicherte haben, andere Kassen jedoch die dort niedergelassenen Vertragsärzte durch Integrationsverträge versuchen an sich zu binden. Nur durch die Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen an den Integrationsverträgen kann auch die bereits jetzt um sich greifende Risikoselektion und deren Übertragung auf Integrationseinrichtungen einzelner Krankenkassen vermieden werden.

An die Kassenärzte appelliere ich deswegen auch, sich nicht um kurzsichtiger finanzieller Vorteile willen an die Krankenkassen direkt zu verkaufen, und fordere Sie auf, die Vor- und Nachteile angebotener Integrationsverträge intensiv mit Ihrer Kassenärztlichen Vereinigung abzustimmen. Letztlich wollen und müssen die Krankenkassen mit diesen sektorübergreifenden Verträgen Geld sparen, um ihre Beitragssätze stabil zu halten, so dass langfristige finanzielle Vorteile aus solchen Verträgen kaum zu erwarten sind.

Ein wesentliches Problem der Integrationsversorgung liegt in dem notwendigen Abgleich zwischen der vertragsärztlichen Gesamtvergütung einerseits und dem zur Finanzierung der Integrationsversorgung auszugliedernden Versichertenbudget andererseits. Die für den Risikostrukturausgleich der Krankenkassen untereinander maßgeblichen Versichertenpauschalen sind hierfür keine ausreichende Grundlage, da sie die Morbiditätsstruktur des einzelnen Versicherten nicht berücksichtigen. Ich betone deswegen nochmals die Notwendigkeit, durch den geplanten Morbiditätsindex der KBV eindeutige Grundlagen für die Beurteilung der Morbidität innerhalb und außerhalb solcher Integrationsversorgungsstrukturen zu erhalten.

b. Psychotherapeutische Versorgung

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich wende mich nunmehr einem Kapitel des Gesundheitsreformgesetzes 2000 zu, das ebenfalls mit dem Begriff der Integration überschrieben ist, jedoch nicht zu einen, sondern zu spalten droht. Es betrifft die Zusammenführung psychologischer Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie vertragsärztlich tätiger Psychotherapeuten unter dem Dach der Kassenärztlichen Vereinigungen. Es macht keinen Sinn, erneut die mit dem Psychotherapeutengesetz 1998 eingeführte Integrationslösung zu diskutieren. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat damals dieser Integrationslösung zugestimmt, weil bereits 7000 psychologische Psychotherapeuten und Psychagogen im sogenannten Delegationsverfahren in der vertragsärztlichen Versorgung tätig waren und in guter Kooperation mit entsprechend psychotherapeutisch qualifizierten Kassenärzten zusammengearbeitet haben. Das Problem war und ist das Hinzutreten eines großen Kreises sogenannter Erstattungspsychotherapeuten, die außerhalb des Delegationsverfahrens in direkten Vertragsbeziehungen zu den Krankenkassen psychotherapeutische Leistungen erbracht und abgerechnet haben. Unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Seehofer wurde dieses Problem politisch einfach dadurch erschlagen, dass für das Jahr 1999 ein fiktiv berechnetes Ausgabenbudget der Krankenkassen für die Psychotherapie gesetzlich vorgegeben wurde. Damit wurde eine Ausgabenobergrenze für die Krankenkassen unabhängig von der Zunahme der Zahl der Leistungserbringer festgelegt. Allerdings hat der Gesetzgeber die Gefahr eines Punktwertverfalles in diesem Ausgabenbudget erkannt und im Gesetz eine Auffangregelung im Sinne gemeinsamer Maßnahmen der Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zur Budgetaufstockung vorgesehen, falls der Punktwertabstand mehr als 10 % betragen sollte.

  • Die gesetzlich viel zu knapp bemessenen Fristen für die zu stellenden Zulassungsanträge,

  • ein bis Mitte des Jahres 1999 andauerndes zweigleisiges Abrechnungsverfahren für Delegations-Psychotherapie und Erstattungs-Psychotherapie

  • sowie die als politischer Kompromiss verwässerten Qualifikationsanforderungen an die Zulassung

haben in 1999 zunächst zu einem Chaos geführt. Wir haben dieses Chaos zwar durch eine Bundesempfehlung mit prophylaktisch festgelegten Vergütungspunktwerten abmildern können. Wir haben jedoch im Ergebnis nicht verhindern können, dass für das zweite Halbjahr 1999 nicht mehr genügend Finanzmittel zur Verfügung standen, um die Psychotherapie mit einem einigermaßen angemessenen Punktwert weiter zu vergüten. Besonders dramatisch ist dabei die Situation in den neuen Bundesländern. Hier hat das Erstattungsverfahren kaum eine Rolle gespielt, so dass das psychotherapeutische Ausgabenbudget durch die Krankenkassen nur unzureichend aufgestockt wurde. Die Bemühungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, durch Gespräche mit Frau Bundesgesundheitsministerin Fischer zu einer politischen Lösung dieses Problems zu kommen, scheiterten. Das Bundesgesundheitsministerium selbst hat in Form einer Rechtsauslegung Budgetaufstockungen zu Lasten der Krankenkassen über das im Vorschaltgesetz festgelegte Gesamtbudget der vertragsärztlichen Versorgung hinaus als unzulässig angesehen und damit den Krankenkassen die Handhabe zur Ablehnung einer angestrebten Bundesempfehlung gegeben. Inzwischen ist für das Jahr 1999 entweder über Verhandlungen oder über Schiedsämter insbesondere mit den Ortskrankenkassen in den meisten KV-Bereichen ein Kompromiss dahingehend erreicht worden, dass Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen gemeinsam meist hälftig in Anwendung der bereits genannten Stützungsregelung den Punktwert - wenn auch auf relativ niedrigem Niveau - stabilisiert haben. In einigen KVen laufen jedoch nach wie vor Schiedsamtsverfahren, so dass auch das Jahr 1999 noch nicht überall abgewickelt ist.

Durch das Gesundheitsreformgesetz 2000 ist diese für 1999 bereits festzustellende Misere der Psychotherapie nochmals massiv verschärft worden. Das bereits genannte Urteil des Bundessozialgerichtes wurde als Gesetzesauftrag an den Bewertungsausschuss übernommen, Kriterien für angemessene Punktwerte für zeitgebundene Leistungen der psychotherapeutischen Versorgung durch ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte und Psychotherapeuten in der Honorarverteilung festzulegen. Gleichzeitig wurde bei der Aufteilung der Gesamtvergütung in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Anteil die psychotherapeutische Versorgung als Teil der fachärztlichen Versorgung definiert, soweit sie durch psychologische Psychotherapeuten oder ausschließlich psychotherapeutische tätige Ärzte erbracht wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben zwar, wie bereits einleitend erwähnt, den Gesetzesauftrag erfüllt und als Grundlage der Honorarverteilung in Anlehnung an die Kriterien des Bundessozialgerichtes eine Punktwertfestlegung vorgesehen. Damit kann es jedoch nicht sein Bewenden haben. Wenn der Gesetzgeber einen weiteren Beruf neu in die vertragsärztliche Versorgung integriert und damit auch die Leistungen dieses Berufes als neue Leistungen in den Leistungskatalog der GKV aufnimmt, dann kann dies nicht zu Lasten der Honorarverteilung der Vertragsärzte und schon gar nicht allein zu Lasten der Honorarverteilung der Fachärzte gehen. Vielmehr müssen dann die Krankenkassen selbst diesen Mehrbedarf für jede begutachtete und von ihnen genehmigte psychotherapeutische Leistung zusätzlich vergüten. Es kann nicht sein, dass die Krankenkassen durch die von ihnen an den KVen vorbei eingeführte Erstattungspsychotherapie ein Problem schaffen und dann mit Hilfe des Gesetzgebers dieses Problem einseitig bei den Kassenärzten abladen. Hier muss eine gesetzliche Regelung gefunden werden, die wir gemeinsam mit den Psychotherapeuten von der Politik einfordern.

c. West/Ost-Ausgleich

Die Politik ist auch gefordert, für die vertragsärztliche Versorgung in den neuen Bundesländern endlich die finanziellen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, die dem Versorgungsbedarf der Bevölkerung in den neuen Bundesländern entspricht.

In zwei vom Zentralinstitut und von der KBV in Auftrag gegebenen Gutachten wird nachgewiesen, dass

  • mit Ausnahme von Krebserkrankungen die Morbidität bei den relevanten Erkrankungen in den neuen Bundesländern höher ist;

  • die Zahl der von einem Arzt behandelten Patienten wegen der geringeren Arztdichte sowohl in der hausärztlichen, als auch der fachärztlichen Versorgung grösser ist, mit entsprechender Auswirkung auf die Arbeitszeit;

  • die Lebenserwartung der Bevölkerung zwar ansteigt, aber noch immer niedriger ist als in den alten Bundesländern.

Gegenüber diesem erhöhten Versorgungsbedarf stehen jedoch den Vertragsärzten je Versicherten nur ca. 75 % der vergleichbaren Krankenkassenausgaben West zur Verfügung. Mit der jetzt gesetzlich erfolgten Festlegung bundeseinheitlicher Veränderungsraten für die vertragsärztliche Gesamtvergütung wird diese Schere weiter auseinandergehen, statt sich zu schliessen. Daran ändert auch nichts der 1999 unter den KVen West und Ost intern erfolgte Gesamtvergütungsausgleich und die für das Jahr 2000 uns gesetzlich aufgenötigte Sockelbereinigung. Wir müssen es an dieser Stelle nochmals nachdrücklich betonen: Wir Kassenärzte im Westen und im Osten wollen nicht die Alimentation von West nach Ost, welche die aufgezeigten Unterschiede in keiner Weise beeinflussen. Wir fordern eine Gesetzesänderung dahingehend, dass die jetzt in der GKV-Gesundheitsreform 2000 erfolgte schrittweise Einführung eines bundeseinheitlichen Risikostrukturausgleiches nicht auf das Verhältnis unter den Kassen begrenzt bleibt, sondern ausdrücklich auf das Vertragsverhältnis zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen angewandt wird, um auch insoweit den notwendigen Angleichungsprozess zu gewährleisten. Das entgegenstehende gesetzliche Verbot muss aufgehoben werden!

Angleichung West/Ost bedeutet für uns: Ostvergütung hoch auf West-Niveau, nicht West herunter auf Ost-Niveau.

d. Arznei- und Heilmittelbudget

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

trotz der negativen Erfahrungen mit den Arznei- und Heilmittelbudgets in den vergangenen Jahren,

trotz der von uns vorgetragenen massiven verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit der damit begründeten Kollektivhaftung für alle Vertragsärzte und

trotz der von Seiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufgezeigten Gefahren einer Rationierung notwendiger Arzneimittel

hat die Regierungskoalition mit dem Gesundheitsreformgesetz 2000 die Arznei- und Heilmittelbudgets gesetzlich fortgeschrieben. Gleichzeitig bleibt die Verpflichtung bestehen, neben diesen Budgets Richtgrößen für die Wirtschaftlichkeitsprüfung arztgruppenbezogen mit den Krankenkassen zu vereinbaren. Als einzige Änderung gegenüber dem bisherigen Recht führt ein Richtgrößenregress bei gleichzeitiger Budgetüberschreitung nicht mehr dazu, dass die Krankenkassen den gesamten Regressbetrag als zusätzliche Einnahmen verbuchen können, da jeder Individualregress immer auf die 5 % Budgetüberschreitung anzurechnen ist, die von den Ärzten kollektiv auszugleichen ist. Der Gesetzgeber hat jedoch parallel zu dieser Regelung den Regressdruck massiv erhöht, indem die Schwellenwerte für die Einleitung von Prüfverfahren und die Vermutung von Unwirtschaftlichkeit von 15 % auf 5 % bzw. von 25% auf 15 % abgesenkt wurden. Damit nimmt er den Hausärzten das wieder weg, was er ihnen vorher gegeben hat.

Wir Kassenärzte werden diese Arznei- und Heilmittelbudgets auch nach dieser erneuten gesetzlichen Festlegung nicht akzeptieren. Wir werden alle rechtlichen Mittel gegen eine Kollektivhaftung bei Budgetüberschreitung ausschöpfen. Dies sage ich auch und gerade vor dem Hintergrund der letzten Woche erfolgten Presseverlautbarung der Betriebskrankenkassen, wonach 250 Mio. DM an Budgetüberschreitung in 1999 entstanden sein sollen.

Diesen uns Kassenärzte als Kollektivregress bedrohenden Betrag aus dem Jahr 1999 können wir wegen der unverändert bestehenden desolaten Datenlage nicht nachvollziehen. Deshalb sind wir auch im laufenden Jahr auf die Trendmeldungen aus den ABDA-Frühinformationen angewiesen. Danach zeichnen sich bei den Arzneimittelausgaben im ersten Quartal 2000 erneut katastrophale Entwicklungen ab. Legt man die Arzneimittelbudgets des Jahres 1999 zugrunde - die Budgets für 2000 sind weitgehend noch nicht verhandelt - so übersteigen die Arzneimittelumsätze der ersten drei Monate den Budgetansatz um 9,8 %. Das bedeutet rechnerisch eine Überschreitung des Budgetansatzes von mehr als 800 Mio. DM. Diese Überschreitung liegt noch um mehr als 200 Mio. DM über der bedrohlichen Überschreitung des ersten Quartals 1999, die letztlich zur Diskussion um Not- und Aktionsprogramm geführt hatte.

Pressemeldungen, die unter Vernachlässigung der extrem hohen Ausgabenzuwächse im Vorjahr eine Abnahme des Ausgabenniveaus im März 2000 um 4,8 % ausweisen und Entwarnung suggerieren, führen bewusst oder unbewusst zu falschen Schlüssen. Wir müssen die Kassenärzte dringend davor warnen, sorglos zu verordnen. Differenzierte Analysen zu den Ursachen dieser Entwicklung liegen uns noch nicht vor. Wir haben allerdings schon vor Jahresfrist und dann fortlaufend die Politik, die Öffentlichkeit und die Kassenärzte darauf hingewiesen, dass hochpreisige Spezialpräparate zur Behandlung von Krebs, Aids, Hepatitis und in der Transplantationsnachsorge durch Übernahme der Therapie in den ambulanten Sektor einen enormen Kostenauftrieb verursachen. Hinzu kommen eine Fülle von höchstpreisigen Innovationen, die die Therapie von Krankheiten möglich machen, die bislang unbehandelbar waren oder für die wir keine befriedigenden therapeutischen Lösungen zur Verfügung hatten. Allerdings um den Preis von Jahrestherapiekosten in Höhe von bis zu 40 Tausend DM pro Patient. Sorgen machen uns auch exogene Faktoren, wie unter anderem der Anstieg der Zuzahlungsbefreiungen. Wenn Zuzahlungsbefreiungen dann noch von im Wettbewerb um Versicherte stehende Krankenkassen als gezielte Werbemassnahme eingesetzt werden sollten, dann werden wir Kassenärzte uns gegen diese Marketingmassnahmen zu unseren Lasten mit allen gebotenen Mitteln zur Wehr setzen.

Angesichts der vom Gesetzgeber verfügten doppelten kollektiven und individuellen Haftung der Kassenärzte ist in diesem Jahr mit einer Regresswelle zu rechnen, die die Existenz vieler Praxen in Frage stellen wird. Bei der zugleich bestehenden Verpflichtung, den medizinischen Fortschritt bei der Behandlung ihrer Patienten zu realisieren, entsteht für die Kassenärzte eine Zwangssituation, die nur als Terrorisierung der notwendigen Therapie bezeichnet werden kann. Die KBV weist die Öffentlichkeit und die Politik darauf hin, dass der Fortbestand dieser Situation zwangsläufig zur Rationierung notwendiger Therapien führen wird.

Mit um so grösserem Nachdruck werden wir bei den Budgetverhandlungen für das Jahr 2000 eine Begrenzung auf die gesetzlich festgelegten Zuwachsraten für die Veränderungen der Gesamtvergütungen in Höhe von 1,43 % nicht als Obergrenze für die Veränderungen der Arznei- und Heilmittelbudgets akzeptieren. Ohnehin bezieht sich die gesetzliche Regelung in § 71 ausdrücklich nicht auf solche Budgets, und bereits bisher waren Arznei- und Heilmittelbudgets in ihren Zuwachsraten nicht zwingend an die Beitragssatzstabilität gebunden.

Aufgrund des dankenswerterweise durch unsere Vorstandskollegen Bausch und Brech aufbereiteten sorgfältigen Datenmaterials werden wir vielmehr den Krankenkassen gegenüber nachweisen, dass eine Vielzahl notwendiger Arzneimittelinnovationen im Jahre 2000 höhere Zuwachsraten für die Arznei- und Heilmittelbudgets erfordern. Wirtschaftlichkeitsreserven, die gegengerechnet werden könnten, stehen im nennenswerten Umfange als Kompensation nicht mehr zur Verfügung. Erschreckend ist nach wie vor die unbefriedigende Datenlage in der Arzneimittelversorgung, aber insbesondere in der Heilmittelversorgung, die eine sachgerechte Steuerung von Arzneimittel- und Heilmittelausgaben durch die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht zulässt.

Erschreckend ist aber auch, dass alle Rechtsinstrumente, die der Gesetzgeber den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Budgetsteuerung zur Verfügung gestellt hat, wegen dagegen gerichteter Wettbewerbsklagen der Pharmazeutischen Industrie nicht zum Tragen kommen. Dies gilt sowohl für die Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, als auch für die Absenkung von Festbeträgen sowie für die Veröffentlichung von gezielten Sparhinweisen im Rahmen des gemeinsamen Aktionsprogrammes.

Sollte es zu einer erneuten Reformgesetzgebung im Gesundheitswesen nach der Nordrhein-Westfalen-Wahl kommen, wird die Abschaffung des Arznei- und Heilmittelbudgets deswegen eine der prioritären Forderungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sein. Soweit es die Richtgrößenprüfungen betrifft, sind durch eine inzwischen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarte Neuauflage einer Bundesempfehlung die nötigen Grundlagen für Richtgrößenvereinbarungen geschaffen worden . Auch über eine Liste lebenswichtiger Arzneimittel sowie eine Liste von Praxisbesonderheiten wurde Einigkeit erzielt, die bei der Anwendung von Richtgrößen aus dem Verordnungsvolumen des Arztes auszugliedern bzw. bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen sind. Wir werden die Auswirkungen dieser Bundesempfehlungen sorgfältig prüfen müssen, um ggf. durch ergänzende Kriterien zu gewährleisten, dass der Vertragsarzt in der Verordnung notwendiger Arzneimittel nicht im Übermaß eingeschränkt wird.

Soweit es die Beschlussfassung neuer Arznei- und Heilmittelrichtlinien betrifft und der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Festbetragsgruppen zu beschließen hat, ist zunächst der Gesetzgeber gefordert, die notwendige Rechtssicherheit für die entsprechenden Beschlüsse des Bundesausschusses zu schaffen. Unabhängig vom Neuansatz einer Gesundheitsreform muss unverzüglich eine gesetzgeberische Absicherung im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Festbetragsneuordnungsgesetz erfolgen. Anderenfalls würden sich die Ärzte im Bundesausschuss eine weitere Mitwirkung an einer Neufassung von Arznei- und Heilmittelrichtlinien sowie einer Festlegung von Festbetragsgruppen verschließen müssen. Das haben wir bereits im Bundesausschuss deutlich angekündigt.

e. Qualitätssicherung

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 enthält eine Fülle von Vorschriften, die sich mit der Qualitätssicherung ärztlicher Leistungen und Krankenhausleistungen befassen. Überwiegend betreffen sie jedoch die Regelungen von Kompetenzen der Vertragspartner bzw. von Kompetenzverlagerungen auf den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Da hierüber bisher keine Verhandlungen geführt worden sind, möchte ich dieses Thema aussparen und einem künftigen Bericht zur Lage überlassen.

Wichtig ist jedoch die vorgesehene Errichtung eines Koordinierungsausschusses, der künftig die Geschäftsführung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen und des neugebildeten Arbeitsausschusses Krankenhaus übernehmen soll. Er hat darüber hinaus die Aufgabe, anhand von Leitlinien Kriterien zur Beseitigung einer Unterversorgung, Überversorgung oder Fehlversorgung festzulegen, die jedenfalls nach dem Gesetzestext unmittelbar für Vertragsärzte, Krankenhäuser und Krankenhäuser verbindlich sein sollen. Die beteiligten Organisationen haben sich inzwischen darauf verständigt, Herrn Ministerialdirektor a.D. Dr. Zipperer damit zu beauftragen, die rechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung dieses Koordinierungsausschusses gemeinsam mit ihnen zu erörtern und die Grundlagen für einen Errichtungsvertrag und für eine Geschäftsordnung zu schaffen.

Darüber hinaus finden im Vorfeld Erörterungen statt, wie der Gesetzesauftrag zur Festlegung von Kriterien zur Beseitigung von Unter-, Über- und Fehlversorgung inhaltlich ausgestaltet werden könnte. Herr Professor Lauterbach, der als einer der geistigen Väter dieser Gesetzesregelung gilt, hat hierzu interessante Vorschläge in die Diskussion eingebracht, die wir zunächst innerärztlich und sodann mit den übrigen Beteiligten auf ihre Tragfähigkeit hin überprüfen werden. Schon jetzt ist aber festzustellen, dass wir zwar durchaus bereit sind, an entsprechenden Qualitätskriterien mitzuarbeiten und diese auch den Kassenärzten zu empfehlen. Soweit dies jedoch mit zusätzlichen Kosten und Aufwendungen verbunden ist, muss die Finanzierung durch die Krankenkassen gesichert sein, da wir unter den bestehenden stringenten Budgets solche zusätzlichen Kosten nicht mehr übernehmen können.

3. Satzungsänderung

Lassen Sie mich zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf den zum Tagesordnungspunkt Satzungsänderung anstehenden Beschluss des Umzuges nach Berlin zu sprechen kommen. Herr Kollege Strahl wird als Vorsitzender des Satzungsausschusses die Ihnen vorliegende Beschlussvorlage erläutern. Die Beschlussfassung der Vertreterversammlung im Dezember letzten Jahres, mit der Sie grundsätzlich einem Umzug der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach Berlin zugestimmt haben, hat jedoch zu politischen Aktionen geführt, über die Sie bei der Beschlussfassung dieser Satzungsänderung und der Sitzverlegung Bescheid wissen sollten. Es gibt massive Bestrebungen der Politik in Nordrhein-Westfalen, die ärztlichen Körperschaften am Umzug nach Berlin zu hindern. Dabei entsteht aus der Sicht des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung eine sehr kritisch zu bewertende Allianz zwischen der Politik und den Personalräten der Organisationen im Gesundheitswesen, die von einem möglichen Berlin-Umzug der ärztlichen Körperschaften indirekt betroffen sein könnten. Es handelt sich hier insbesondere um die Personalräte des Bundesgesundheitsministeriums, der Ersatzkassen, der Ortskrankenkassen, aber auch der Personalräte der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer. Zu diesen Aktionen ist zunächst aus Sicht des Vorstandes festzustellen, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung und deren gesetzlichen Organe alleine darüber zu befinden haben, wo der Sitz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Zukunft liegen soll. Es ist nicht Aufgabe von Personalräten, eine solche Entscheidung der gesetzlichen Organe zu behindern oder gar zu blockieren. Aufgrund einer Voranfrage beim Bundesgesundheitsministerium hat Frau Bundesgesundheitsministerin Fischer in einem Schreiben an die Kassenärztliche Bundesvereinigung klargestellt, dass die Beschlussfassung über den Sitz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ausschließlich in die Kompetenz der Vertreterversammlung fällt und es keine Rechtsnormen gibt, die einer Sitzverlegung nach Berlin entgegenstehen. Die jetzt von der Initiative der Personalräte verbreitete Darstellung, wonach eine Sitzverlegung gesetzeswidrig wäre, ist die private Auffassung eines einzelnen Verwaltungsrechtlers der Universität Köln, der von den Personalräten mit einer gutachterlichen Prüfung beauftragt wurde. Dieser Auffassung widersprechen aber die Juristen des BMG's und der Aufsichtsbehörden der Länder ausdrücklich. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, entscheiden also heute über diese Sitzverlegung im Rahmen der anstehenden Satzungsänderung und niemand anders.

Im selben Schreiben des BMG wird allerdings darauf hingewiesen, dass bei der Entscheidung über den Umzug der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach Berlin der Grundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen ist. Aufgrund einer politischen Anfrage im Deutschen Bundestag hat Frau Bundesgesundheitsministerin Fischer darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Satzungsgenehmigung von Seiten der Aufsichtsbehörde sehr intensiv geprüft werden müsse, ob die mit einem Umzug nach Berlin verbundenen Kosten mit diesem Grundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu vereinbaren sei. Wir haben Ihnen deswegen als Grundlage für Ihre Entscheidung eine umfangreiche Wirtschaftlichkeitsanalyse zur Verfügung gestellt, aus der sich ergibt, dass die Beibehaltung des jetzigen Standortes, verbunden mit der Aufrechterhaltung mehrerer Filialbetriebe und einer gesonderten Dienststelle in Berlin, zu massiven Unwirtschaftlichkeiten bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung führt. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass wir nunmehr 50 Jahre unseren Verwaltungssitz in der Herbert-Lewin-Straße in Köln haben und durch den Zusammenbau dreier ursprünglich getrennter Häuser über diese Jahre hinweg versucht worden ist, den Raumbedarf zu decken. Darunter hat selbstverständlich die Funktionalität der Organisation gelitten, da diese zusammengeschusterten Gebäude nicht den Anforderungen an eine wirtschaftliche Raumaufteilung und Raumgestaltung genügen. Es kann deswegen aus unserer Sicht kein Zweifel daran bestehen, dass zunächst - völlig unabhängig von einer Sitzverlegung nach Berlin - ein Verwaltungsneubau, wie ihn z.Zt. auch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein gemeinsam mit der Ärztekammer Nordrhein und der Ärzteversorgung Nordrhein in Düsseldorf errichten, dem Grundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspricht. Dies wird auch durch entsprechende Daten in den Ihnen zur Verfügung gestellten Unterlagen belegt. Zumindest mittelfristig erspart aber ein Umzug nach Berlin wiederum Doppelkosten zweier Dienststellen in Köln und in Berlin. Wenn wir im übrigen davon ausgehen, dass ein neues Verwaltungsgebäude wiederum für mindestens 50 Jahre Sitz der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sein wird, dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass Berlin der richtige Standort für einen Neubau ist. Herr Sanitätsrat Sauermann wird Ihnen als Vorsitzender des Finanzausschusses hierzu nach der für heute Nachmittag geplanten Präsentation der möglichen Standorte weitere Details und Fakten zur Sitzverlegung vortragen.

Ich komme damit zum Schluss meiner Ausführungen. Mit meinem Bericht zur Lage habe ich Ihnen mit der notwendigen Intensität die Probleme dargelegt, die sich für uns aus der Gesetzgebung der jetzigen Regierungskoalition aus SPD und Bündnis 90 - Die Grünen ergeben. Für die Ärzteschaft bedeutet dies erneut eine Zerreißprobe, die wir nur dann gemeinsam bestehen können, wenn wir als Kassenärztliche Bundesvereinigung einerseits den Gesetzesauftrag in dem gebotenen aufgezeigten Rahmen erfüllen, andererseits uns aber auf eine künftige Auseinandersetzung um eine weitergehende Strukturreform im Gesundheitswesen intensiv vorbereiten.

In der Ende diesen Jahres auslaufenden Wahlperiode sieht der amtierende KBV-Vorstand deswegen folgende Hauptaufgaben, die wir zu einer Lösung bringen wollen:

  1. Wir akzeptieren keine Budgetierung, vor allem keine sektoralen Budgets und werden alle rechtlichen Mittel gegen eine Kollektivhaftung bei Budgetüberschreitung ausschöpfen.

  2. Wir führen auch die rechtliche Auseinandersetzung zur Lösung des für die Psychotherapeuten und Fachärzte unhaltbaren Zustandes, dass die neuen Leistungen zu Lasten der Honorarverteilung der Fachärzte gehen.

  3. Wir fordern von der Politik, die Möglichkeiten zu schaffen, die Vergütung der Ostärzte endlich dem Westniveau anzupassen.

  4. Wir bestehen bei den Verhandlungen über die Rahmenvereinbarung mit den Krankenkassen auf der Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen beim Abschluss von Integrationsverträgen, um den Sicherstellungsauftrag zu wahren.

  5. Wir werden die Grundlagen der EBM-Reform und die Grundlagen für die Einführung von Regelleistungsvolumen schaffen.

  6. Mit dem Morbiditätsindex wollen wir ein Instrument schaffen, mit dem wir den tatsächlichen Versorgungsbedarf für die Kranken in Deutschland gegenüber Politik und Krankenkassen belegen können.

Nur auf dieser Grundlage kann es mittel- und langfristig gelingen, sich aus einer sektoralen Budgetierung zu befreien und in den Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen um kassenbezogene Vergütungsstrukturen entsprechend gewappnet zu sein. Wir sehen darin auch den einzigen Weg, im Verhältnis zum Krankenhaus zu einer besseren Verzahnung durch gleiche Wettbewerbsbedingungen zu kommen und damit für niedergelassene Ärzte und Krankenhausärzte vergleichbare Kalkulationsstrukturen zur Vergütung ärztlicher Leistungen zu schaffen. Ich appelliere deswegen heute an Sie, diesen eingeschrittenen Weg des Vorstandes zu unterstützen und mit uns gemeinsam den Versuch zu unternehmen, durch aktives Handeln unsere eigene Zukunft wieder selbst in den Griff zu bekommen und uns nicht dem Gestaltungsspielraum anderer auszusetzen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Dieser Teil ist dankend übernommen aus der Homepage der Vereinigung

Beschlüsse der Vertreterversammlung der KBV zur Psychotherapie

Die Vertreterversammlung der KBV fasste am 08.05. folgende Beschlüsse zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen (Beschluss Nr. 6 ist der Inhalt eines Beschlusses des Beratenden Fachausschusses):

Antrag 2a

Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung möge beschließen:

Der Gesetzgeber wird aufgefordert, einen eigenen Topf für psychologische und ärztliche Psychotherapeuten analog dem Hausarzt- und Facharzttopf zu bilden, wobei die Finanzierung diese beiden Töpfe nicht belasten darf. Das Morbiditätsrisiko für die psychotherapeutischen genehmigungspflichtigen Leistungen muß von den Krankenkassen übernommen werden.

Antrag 7 (Änderungsantrag zu Antrag 2a)

Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung möge beschließen:

Der Gesetzgeber wird aufgefordert, einen eigenen Versorgungsbereich für die Psychotherapie zu bilden, analog dem hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsbereich wobei die Finanzierung diese beiden nicht belasten darf. (Satz 2 bleibt.). Das Morbiditätsrisiko für die psychotherapeutischen genehmigungspflichtigen Leistungen muß von den Krankenkassen übernommen werden.

Antrag 6

Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung möge beschließen:

Die KBV-Vertreterversammlung fordert, die zeitgebundenen antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen der Psychotherapie vorab im Rahmen der Gesamtvergütung als extrabudgetäre Leistungen analog zu den gesetzlichen Regelungen zur Methadon-Substitution durch die Krankenkassen mit einem festen Punktwert zu vergüten.

 


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