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Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten

17.8.1999

Stellungnahme zum Kabinettsentwurf des
Gesetzes zur GKV-Gesundheitsstrukturreform 2000
(Stand Juni 1999)

Übersicht

 

Teil 1: Allgemeine konzeptionelle Vorstellungen zur Psychotherapie in der Strukturreform

Vorbemerkung

1.1. Gerechtere Honorarverteilung und Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven

1.2. Qualitätssicherung

1.3. Einheit der Psychotherapie

1.4. Bewahrung des Erstzugangsrechts

1.5. Einbindung in die Integrationsversorgung oder Kooperation mit Netzen

1.6. Organisationsreform der Kassenärztlichen Vereinigungen

Teil 2: Stellungnahme zum Kabinettsentwurf des BMG zur Gesundheitsreform 2000

Vorbemerkungen

2.1. Abgrenzung der Leistungspflichten zwischen privaten Krankenversicherungen und

GKV (§ 5, § 6, § 257)

2.2. Gesundheitsförderung, Prävention und Selbsthilfe (§ 20, § 23)

2.3. Arznei und Heilmittel (§ 34a, § 84)

2.4. Soziotherapie (§ 37a, § 132b)

2.5. Medizinische Rehabilitation (§40, § 310)

2.6. Versichertenbonus und Erhalt des Direktzugangs zu bestimmten Arztgruppen (§ 65a)

2.7. Verbraucher- und Patientenberatung (§ 65b)

2.8. Besonderer Datenschutz bei Datentransfer (§ 73 1b/c, § 295)

2.9. Reform der Organe der Selbstverwaltung (§ 77, § 79, § 79b, § 80)

2.10. Honorarverteilungsmaßstab (§ 87a)

2.11. Institut für Arzneimittelverordnung (§ 92 a)

2.12. Aufteilung in hausärztliche und fachärztliche Versorgungsstruktur (§ 101 Abs.1)

2.13 Bedarfsplanung (§ 102 Abs. 2, § 103)

2.14. Erleichterungen von Plausibilitätsprüfungen (§ 106a)

2.15. Zur Problematik der Leistungsbeurteilung nach anerkannten Leitlinien (§ 136)

2.16. Zur Qualitätssicherung (§ 136a, § 137b, § 275, § 276, § 282, § 294, § 303a)

2.16.1.Überprüfung von Qualitätssicherungsmaßnahmen auf Wirksamkeit (§ 136a, § 137b, § 282)

2.16.2.Prüfung der Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Qualität der Leistungen

durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen und Einrichtung von Datenannahmestellen

und Arbeitsgemeinschaften zur Datenaufbereitung (§ 275, § 276, § 294, § 303a)

2.17. Integrierte Versorgung (§ 140a/b/c/d/e/f/g)

2.18. Globalbudget (§ 142)

2.19. Nachträgliche Aufbesserung des Psychotherapiebudgets 1999

 

Teil 1: Allgemeine konzeptionelle Vorstellungen des bvvp

zur Psychotherapie in der Strukturreform

Vorbemerkung

Teil 1 enthält die gekürzte und aktualisierte Fassung des bvvp-Papiers "Konzeptionelle Vorstellungen des bvvp zur Gesundheitsreform" vom 1.5.99, während Teil 2 eine aktuelle Stellungnahme zum vorliegenden Kabinettsentwurf des BMG zu einem Gesetz der Gesundheitsreform 2000 beinhaltet, der auf den Stellungnahmen des bvvp vom 17.5. und 9.6.99 zum Arbeitsentwurf und zum Referentenentwurf des Gesetzes aufbaut.

1.1. Gerechtere Honorarverteilung und Ausschöpfung von Wirtschaftlichtkeitsreserven.

Die Psychotherapeuten stehen seit Jahren - wie sämtliche verfügbaren Statistiken beweisen - weit abgeschlagen am unteren Ende der ärztlichen Einkommenskala. Daher kommt unter den Bedingungen der Budgetdeckelung und der Nichtausweitung der Lohnnebenkosten der Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven durch eine gerechtere Honorarverteilung eine ganz wesentlich steuernde Bedeutung zu. Wir halten daher folgende zwei Regulierungsmaßnahmen für erforderlich:

a) Verankerung des Angemessenheitsgebotes und der Vergleichbarkeit des Einkommens als Maßstab für die Honorarverteilung auf KV-Ebene im SGB V:

Durch ein jüngeres Urteil des BSG (20.1.99 - AZ: B 6 KA 46/97 R) wird implizit erstmalig die Möglichkeit eingeräumt, daß bei der Honorarverteilung die subjektiven Rechte eines einzelnen Arztes berührt sein können und von daher zu prüfen sind. Entsprechend dieser Auffassung des BSG sollten bereits bei der Gesundheitsstrukturreform gesetzliche Weichenstellungen in diesem Sinne im SGB V getroffen werden

Die Bestimmungen in den §§ 85, 3 und 87a reichten bisher nicht aus, um Honorargerechtigkeit zu erreichen. Unserer Ansicht nach sollte eine Regelung im SGB V folgenden Inhalt abdecken:

"Die Verteilung der Gesamtvergütung auf die Leistungserbringer geschieht nach den Gesichtspunkten der Angemessenheit und Vergleichbarkeit der Vergütung unter Berücksichtigung der Praxiskosten, der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung, der für die vertragsärztlichen Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit sowie der fachgrupenspezifischen betriebswirtschaftlichen Risiken."

b) Systematische Einführung von Zeitkorridoren für EBM-Leistungen, Einführung von fachgruppenspezifischen Punktzahlobergrenzen und Abstaffelungen oberhalb dieser Grenzen (Regelleistungsvolumina):

Zeitkorridore für die Erbringung der Leistungspositionen des EBM können die Grundlage für die Errechnung der fachspezifischen Punktzahlobergrenzen (maximale Punktzahlvolumen pro Leistungserbringer) bilden und die notwendigen Bezugsgrößen für Plausibilitätsprüfungen darstellen. Praxisbesonderheiten durch bereichsspezifische Versorgungsangebote sind dabei entsprechend zu berücksichtigen.

In der Vergangenheit hinderten die Budgetbedingungen und Gerichtsurteile die ärztliche Selbstverwaltung daran, an dem bis zur Budgetierung entstandenen Honorarverteilungsverhältnissen wesentliche Veränderungen in Richtung einer gerechteren Honorarverteilung vorzunehmen. Nur gesetzliche Vorgaben können u.E. eine Flexibilisierung dieser Verhältnisse und eine Optimierung des Verhältnisses von Arbeitsleistung und Honorierung ermöglichen.

1.2. Qualitätssicherung

Der bvvp begrüßt und unterstützt alle Anstrengungen, die zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung psychotherapeutischer Behandlungen in der psychotherapeutischen Versorgung beitragen. Für die Qualitätsentwicklung sind dabei folgende Gesichtspunkte von Bedeutung:

- Qualitätssicherung in der Psychotherapie fand bisher schon auf einem hohen Niveau im Vergleich zu anderen medizinischen Fachgebieten statt (Supervision, Intervision, Gutachterverfahren).

- Die Durchführung zusätzlicher Qualitätssicherungsmaßnahmen unter fortdauernd mangelhafter Honorierung und defizitären Praxisbedingungen muß sich als weitere beeinträchtigende Zusatzbelastung auswirken. Vor der Einführung weiterer Qualitätssicherungsmaßnahmen ist sicherzustellen, daß Psychotherapeuten unter Praxisbedingungen arbeiten können, die ein professionelles Arbeiten ohne permanente wirtschaftliche Bedrohung erlauben und die eigene Qualitätssicherungsbemühungen (Supervision, Fortbildung u.ä.) nicht verhindern.

- Qualitätssicherungsmaßnahmen müssen auf die besonderen Belange der niedergelassenen Praxis ausgerichtet sein. Zeitlicher Aufwand und Nutzen hinsichtlich der Qualitätsentwicklung und Honorierung des zusätzlichen Arbeitsaufwandes müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.

- Wissenschaftlich erwiesen ist die Wirksamkeit von internen Qualitätssicherungsmaßnahmen, während externe Maßnahmen sowohl zu Beeinträchtigungen des Therapieprozesses als auch zu Verfälschungen der Datenerhebung führen können.

- Qualitätssicherungsmaßnahmen müssen im Bereich der Psychotherapie den erhöhten Anforderungen an den Umgang mit erhobenen Befunden und Daten gerecht werden, die die besondere Schutzwürdigkeit der oft intimen Mitteilungen berücksichtigen.

Für Qualitätssicherung im o.g. Sinn erfüllt der Medizinische Dienst der Krankenkassen u. E. nicht die Voraussetzungen.

1.3. Einheit der Psychotherapie

Der große Vorteil des mit dem Psychotherapeutengesetz realisierten Integrationsmodelles ist es, daß das Fachgebiet Psychotherapie sich unter einheitlichen Bedingungen in Kooperation der verschiedenen Berufsgruppen auch angemessen entwickeln kann. Die Einheit der Psychotherapie kann am ehesten gewährleistet werden, wenn folgende Ziele mit der Strukturreform umgesetzt werden:

- Beibehaltung der Integration in die KVen, die KBV

- Einführung des Verhältniswahlrechtes für die Vertreterversammlungen bzw. für die Verwaltungsräte, wie in §80 (1) vorgesehen

- Abschaffung der Beschränkung der Vertretung psychologischer Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten auf 10 % der Mitglieder in den Vertreterversammlungen der KVen und der KBV, wie mit Streichung von § 80 (1a) vorgesehen.

1.4. Bewahrung des Erstzugangsrechtes

Zahlreiche Untersuchungen belegen, daß Patienten eher zu spät, nämlich mit jahrelangen Verzögerungen den Weg zum Psychotherapeuten für ihre psychotherapeutisch zu behandelnden Leiden finden. Nicht selten bleiben sie dabei auch bei ihrem Hausarzt ohne rechtzeitige fachgerechte Behandlung "hängen". Hier hat das Psychotherapeutengesetz in Antwort auf diesen Mißstand das Erstzugangsrecht des Patienten zu allen Psychotherapeuten eingeführt. Angesichts der Tatsache, daß sich oft erst bei den ausführlichen psychotherapeutischen Vorgesprächen aufgrund bisher nicht geäußerter, belastender Mitteilungen die Zusammenhänge der Behandlungsindikation ergeben, läßt sich ermessen, daß nur der Erstzugang auch eine adäquate psychotherapeutische Versorgung gewährleistet. Das im Rahmen der Strukturreform vorgesehene Primärarztmodell, das zum Erhalt eines Bonus die Überweisung eines Hausarztes als Zugangsvoraussetzung hat, würde - ohne eine Ausnahmeregelung für Psychotherapie - das gerade erst eingeführte Erstzugangsrecht wieder weitgehend rückgängig machen und einen Versorgungsrückschritt darstellen.

1.5. Einbindung in die Integrationsversorgung oder Kooperation mit Netzen

Entscheidend ist bei der Netzbildung, welche Ziele damit angestrebt und strukturell befördert werden. Vorrangiges Ziel der Vernetzung muß die Qualitätsentwicklung und die Umsetzung des medizinischen Fortschritts in den Versorgungsstrukturen sein. Dazu gehört auch die Beseitigung von Versorgungsdefiziten, die Beseitigung von Kommunikationsmängeln, die zeitgerechte Einleitung medizinischer Maßnahmen, aber auch die Vermeidung unnötiger Leistungen.

Bei der angestrebten Vernetzung der Versorgungsstrukturen sind auch die ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zu berücksichtigen und einzubeziehen. Dies ist nach unserer Kenntnis in den bisher existierenden Netzen noch nicht realisiert oder geplant. Die Psychotherapeuten werden bisher wohl eher außerhalb des Netzes angesiedelt mit einer Schnittstelle zum Netz vergleichbar dem stationären Bereich. Bei einer derartigen Konzeptualisierung gerät die psychotherapeutische Behandlung von Kranken rasch zu einem nachgeordneten, unter netzinternen Kostenerwägungen zu vermeidenden Therapieansatz - zum Schaden für die betroffenen Patienten und für die bedarfsgerechte Versorgung. Gesamtökonomisch ist es dagegen sinnvoll, zur Vermeidung unnötiger organmedizinischer Maßnahmen eine psychotherapeutische Diagnostik eher früher als später einzuschalten.

Daher reicht es u.E. nicht aus, Psychotherapeuten entsprechend anderen Fachärzten anteilmäßig an der Versorgung der Bevölkerung in den Netzen zu beteiligen. Der Psychotherapeut benötigt, wie der organmedizinische Netzarzt, eine ihm direkt zugeordnete Netz-Funktion mit Erstzugangsmöglichkeit des Patienten und mit der Aufgabe eines screening hinsichtlich mitverursachender und mitunterhaltender psychischer Störungen bei körperlichen Symptomen. In enger Kooperation mit dem/den organmedizinischen Netzarzt/-ärzten können die genannten psychodiagnostischen Aufgaben sowohl von ärztlichen Psychotherapeuten als auch psychologischen Psychotherapeuten wahrgenommen werden, die darüberhinaus auch Überweisungen vorschlagen und das u.U. erforderliche koordinierte weitere Vorgehen mit dem/den Netzarzt/-ärzten abstimmen. Dasselbe gilt bei Kindern und Jugendlichen auch für den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.

Ganz anders sind die Netzentwicklungen zu beurteilen, wenn damit vorrangig Kostendämpfungsmaßnahmen verfolgt werden und z.B. über starre Netz-Budgets konkurrierender Druck auf die Netzteilnehmer ausgeübt wird. Solche Vorgaben müssen rasch zu Rationierung von medizinischen Leistungen und Verschlechterung der Qualität der Versorgung führen. Derartigen Konzeptvorgaben fiele als erstes voraussehbar die bedarfsadäquate psychotherapeutische Versorgung zum Opfer. Obwohl - wie bereits dargestellt - eine auf einer integrierten psychophysischen Diagnostik aufbauende Patientenberatung eine wichtige Verbesserung der Versorgung bringen kann und nennenswerte Kosteneinsparungen erwarten läßt, sind eben keine kurzfristigen, das Netz-Budget unmittelbar entlastende Spareffekte zu erwarten. Psychotherapie ist immer eine langfristige Gesundheitsinvestition, deren Wert sich erst über Jahre und Jahrzehnte akkumuliert und sich innerhalb von Sechs- oder Zwölfmonatszeiträumen bei vergleichenden Netzeffizienz-Erhebungen wohl kaum wird nachweisen lassen, sondern im Gegenteil, zunächst eher als Kostenfaktor - wie jede Investition - erscheint.

1.6. Organisationsreform der Kassenärztlichen Vereinigungen

Eine strukturell gesicherte Verankerung der Repräsentanz der Psychotherapeuten in den Vorständen von KVen und KBV wäre u.E. als Schritt der Integration der Psychotherapie in die Selbstverwaltungsstrukturen zu begrüßen. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, das bei einem solchen Konzept nicht die Gruppe der psychotherapeutischen Leistungserbringer aufgespalten wird (siehe auch unter Punkt 1.3., Einheit der Psychotherapie).

Eine Repräsentanz der drei Hauptgruppen der Leistungserbringer in den Vorständen - Hausärzte, Fachärzte, Psychotherapeuten - ist unseres Erachtens vor allem dann nützlich und sinnvoll, wenn zugleich enge Kooperation zwischen den drei Leistungserbringergruppen gewährleistet wird. Nur so wäre eine sinnvolle Steuerung der Honoraranteile unter der Prämisse des Globalbudgets möglich.

Bei Einführung von Hauptamtlichkeit der Vorstandssitze ist u.E. der Gesichtspunkt wichtig, daß die Vorstandsfunktionen durch Angehörige der Berufsgruppen der Leistungserbringer besetzt werden und nicht durch Angehörige anderer Berufsgruppen wie z.B. Betriebswirte oder Juristen. Für die ärztliche Selbstverwaltung ist der enge Bezug der Repräsentanten zur ärztlichen/ psychotherapeutischen Tätigkeit unverzichtbar in Hinsicht auf eine sachgerechte Entscheidungsfindung und auf eine angemessene Vertretung der Mitglieder. Die KVen liefen ansonsten Gefahr zu reinen Verwaltungsapparaten zu werden ohne Bezug zur Basis, zum einzelnen Arzt bzw.Therapeuten. Das widerspräche den Anforderungen an eine ärztliche "Selbst"-verwaltung und an eine effiziente Verwaltung.

Teil 2: Stellungnahme des bvvp zum Kabinettsentwurf des BMG
zur GKV-Gesundheitsreform 2000

Vorbemerkungen

Der Kabinettsentwurf geht - wenn auch etwas weniger als der Arbeitsentwurf - mit seiner immer noch vorhandenen Tendenz, Entscheidungs- und Steuerungskompetenzen im Gesundheitssystem zugunsten der Krankenkassen zu verlagern,weiterhin überwiegend von der Auffassung aus, daß die Leistungserbringer eher Eigeninteressen und die Krankenkassen eher Patienteninteressen vertreten können und würden. Das wird den komplexen Realitäten kaum gerecht - weder den Krankenkassen, die auch zu Kostenersparnis am Bedarf vorbei und zu Entscheidungen unter Vermarktungsaspekten aufgrund der Konkurrenzsituation gezwungen sind, noch den Körperschaften der Ärzte und den einzelnen Leistungserbringern, die neben Eigeninteressen auch ein ganz genuines Interesse am Heilungserfolg und der Zufriedenheit des Patienten haben.

Der Kabinettsentwurf erwähnt - wie schon der Arbeits- und Referentenentwurf - in seinen Ausführungen bisher kaum explizit die Psychotherapie und die Psychotherapeuten. Die ärztlichen, psychologischen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sind im PsychThG als eine gemeinsame und eigenständige Arztgruppe definiert, die sich weder einfach unter die Gruppe der Hausärzte noch unter die Gruppe der Fachärzte subsumieren läßt - u.a. auch wegen ihrer Zusammensetzung aus drei verschiedenen Berufsgruppen und ihrer Zuordnung zur "sprechenden Medizin". Wir empfehlen im Gesetz neben Ärzten und Fachärzten auch die Psychotherapeuten (einschließlich der ärztlichen Psychotherapeuten) jeweils zusätzlich anzuführen. Falls eine Zuordnung zu den Fachärzten gedacht war, müßte diese im Gesetzestext klargestellt werden.

Neben den begrüßenswerten Zielsetzungen der Reform, die Selbstverantwortung und Eigenkompetenz der Patienten zu stärken, unnötige medizinische Maßmahmen zu vermeiden und die Vorsorge und Rehabilitation zu verbessern, halten wir es außerdem für wichtig, im Sinne der Patienteninteressen auch die "sprechende Medizin" zu fördern. Bei dem Reformziel des effizienten Einsatzes von Finanzmitteln darf die Zielrichtung nicht ausschließlich auf kurzfristige Einsparungen ausgerichtet sein. Rasche Effekte führen oft keineswegs zu einer Effizienz auf längere Sicht und sind nicht selten verbunden mit einer Verlagerung der - u.U. dann vermehrten - Kosten auf die Zukunft. Die vorgesehenen Maßnahmen setzen sehr stark auf (Fremd-)Kontrolle z.B durch Datenzusammenführung und Einsatz des medizinischen Dienstes der Krankenkassen oder auf Bündelung der Steuerungsfunktionen beim Hausarzt. Solche Globalsteuerungsfunktionen haben auch erhebliche Nachteile, da mit der Bündelung von Verantwortlichkeiten Erfolg und Mißerfolg der Maßnahme ganz von Fähigkeiten des jeweils einzelnen Entscheidungsträgers abhängen, die nicht nur qualifikationsabhängig sind. Mit der Bildung von Machtträgern besteht die Gefahr, die Vielfalt der Praxen und der Besonderheiten des Versorgungsangebotes in ein Prokrustesbett zu zwingen und durch Vorgaben den für eine individuelle Patientenbetreuung notwendigen Behandlungsspielraum einzuengen. Das hochindividuelle Zusammenspiel von Krankheit, Lebenssituation, sozialer Situation, Milieu und persönlicher Einstellung/Persönlichkeit des Patienten im Praxisalltag setzt der Anwendung von Leitlinien und Standards und der Vergleichbarkeit Grenzen. Es muß in jedem Fall vermieden werden, daß durch Überbetonung von Steuerungselementen bei Arzt bzw. Psychotherapeut und Patient das Gefühl entsteht, nur noch in bestimmten Bahnen handeln zu können - das müßte sich auf den Behandlungserfolg negativ auswirken.

Auch der vorliegende Kabinettsentwurf bedarf daher u.E. in einigen wichtigen Aspekten noch erheblicher Korrekturen, damit die mit der Strukturreform angestrebten Ziele einer resourcenschonenden und fachlich hochwertigen Medizin nicht verfehlt werden und es nicht zu einer richtungsweisenden Verschlechterung der Versorgung kommt.

Zu den Gesetzesregelungen im einzelnen:

2.1. Abgrenzung der Leistungspflichten zwischen privaten Krankenversicherungen und GKV (§ 5, § 6, § 257)

Zu begrüßen sind Regelungen nach § 5 Abs. 10, § 6, Abs. 3a sowie § 257 Abs. 2a Nr. 2, weil dadurch Belastungen durch Übertritt von Patienten mit erhöhtem Morbiditätsrisiko im Alter auf Seiten der GKV vermieden werden. Zu begrüßen ist darüberhinaus, daß die Beitragsbelastung der weniger betuchten, älteren Privatversicherten durch Standardtarifbestimmungen sowie durch Rücklagevorschriften im Versicherungsaufsichtsgesetz eingeschränkt wird.

Nach Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes ergibt sich die Notwendigkeit einer weiteren Veränderung im § 257 Abs. 2a Satz 1. Angefügt werden sollte eine Nr. 6. (neu):

" 6. sich verpflichtet, psychotherapeutische Leistungen in einem vergleichbaren Umfang in die Vertragsleistungen aufzunehmen, wie sie nach den Bestimmungen des SGB V und den Psychotherapie-Richtlinien nach§ 92 Abs 6a SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung vorgesehen sind."

Begründung: Mit dem Psychotherapeutengesetz sind die psychotherapeutischen Leistungen aller drei psychotherapeutischen Behandlergruppen (ärztliche Psychotherapeuten, psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) zu Pflichtleistungen der GKV geworden und damit Bestandteil der Regelversorgung. Der Ausschluß oder auch die Einschränkung einer grundsätzlich zur medizinischen Versorgung gehörenden Fachbehandlung aus dem Katalog der Versicherungsleistungen einer Krankenversicherung sollte zur Folge haben, daß die Beitragszuschußpflicht des Arbeitgebers nach § 257 Abs. 2 entfällt.

2.2. Gesundheitsförderung, Prävention und Selbsthilfe (§ 20, § 23)

Begrüßenswert ist die Einführung von Maßnahmen der primären Prävention sowie die vorgesehene Unterstützung von Selbsthilfegruppen. Das dann für Gesundheitsförderung und Selbsthilfe neben der kurativen Behandlung aufzuwendende Geld müßte allerdings auf jeden Fall zusätzlich in das Gesamtbudget einfließen.

Bei der primären Prävention ist auch die Vorbeugung bezüglich psychischer Störungen von Krankheitswert einzubeziehen, z.B.

 bei Personengruppen nach Verlust eines Partners/Familienmitgliedes durch Suizid

- bei Personengruppen nach schweren traumatischen Erlebnissen

- bei Personengruppen nach körperlichen Mißhandlungen

- bei Kindern und Jugendlichen psychisch kranker oder suchtgefährdeter Eltern

- bei Personengruppen mit schweren körperlichen Erkrankungen

Laut Psychotherapeutengesetz sind Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten von der Erbringung präventiver Leistungen ausgeschlossen. Es ist unzweifelhaft, daß Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten dazu befähigt sind, präventive Leistungen auf dem Gebiet der Psychotherapie zu erbringen und zu verordnen. Daher ist eine entsprechende Änderung von § 73, Abs. 2 SGB V, der diese Leistungen ausschließt, erforderlich.

Bei der Förderung von Selbsthilfegruppen sollten Betroffene berücksichtigt werden, bei denen die psychosozialen Folgen der Erkrankung besonders gravierend sind. Miteinbezogen werden sollten auch gemeinsame Gruppierungen von Ehrenamtlichen und Betroffenen, soweit Betroffene im Sinne der Selbsthilfe von der Aufgabengestaltung gleichberechtigt beteiligt sind. Die Kooperation mit Psychotherapeuten, die schon heute vielfach aktiv Selbsthilfegruppen und -initiativen unterstützen, sollte im Gesetz empfohlen werden. Die notwendigen Mittel hierzu sind zusätzlich einzustellen.

2.3. Arznei und Heilmittel (§ 34a, § 84)

Die Positivliste kann bei entsprechender Gestaltung zu einer Konzentrierung der Verordnungen auf das medizinisch Sinnvolle und Notwendige beitragen. Problematisch sind die Bestimmungen des § 84 hinsichtlich der Herstellung des Referenzwertes aus den Ausgabenbeträgen der drei Vertragsregionen mit den niedrigsten Ausgabenbeträgen für Arznei- und Heilmittel. Bei dieser Art der Berechnung geht die Komplexität und gegenseitige Bedingtheit der Versorgungsrealitäten verloren.

Es gibt Regionen mit relativer Unterversorgung an somatischen und/oder psychotherapeutischen Behandlern, die ein höheres Arzneimittelbudget aufweisen. Dies trifft z.B. bei den neuen Bundesländern zu - dort muß die medikamentöse Verordnung die fehlende Zeit für diagnostische und therapeutische Gespräche ersetzen. Bei der Berechnung des Referenzwertes müssen auf jeden Fall weitere Faktoren einbezogen werden, z.B. eben die der Unter- bzw. Überversorgung.

Außerdem muß geklärt werden, ob auch Leistungserbringergruppen wie die der Psychotherapeuten, die selbst die Höhe der Arznei- und Heil-/Hilfsmittelverordnung überhaupt nicht beeinflussen können, im Falle eines Überschreitens des Budgets regresspflichtig werden oder ob nichtverordnende Leistungserbringer von der Regresspflicht ausgenommen werden müssen. Letzteres würden wir für angemessen halten.

2.4. Soziotherapie (§ 37a, § 132b)

Die Verbesserung der Versorgung schwer psychisch kranker Patienten ist zu begrüßen. Es ist aber ganz unzweifelhaft, daß hier die Psychotherapeuten besondere Kompetenz mitbringen. Es sollte daher klargestellt werden, daß nicht nur ein Vertragsarzt die Soziotherapie leiten und koordnieren kann, d.h. den Patienten anleiten, den Soziotherapeuten beauftragen und entsprechende Leistungen verordnen kann, sondern gleichermaßen auch ein nichtärztlicher Psychotherapeut, ggf. in Zusammenarbeit mit einem Arzt, falls Medikation erforderlich sein sollte.

Einkaufsmodelle, wie in § 132 b entwickelt, halten wir allerdings für problematisch. Es sollte jeder kompetente Behandler sich an der soziotherapeutischen Versorgung beteiligen können. Auch können die Anforderungen an die Kompetenz der Behandler sicher nicht allein in die Hände der Kassen gelegt werden. Auch hierfür muß Geld eingestellt werden.

2.5. Medizinische Rehabilitation (§ 40, § 310)

Die Strukturierung der Rehabilitationsmaßnahmen, vor allen Dingen auch die Möglichkeit der Erweiterung des Zeitrahmens anhand von in Leitlinien festgelegten Indikationen sowie die Absenkung der Zuzahlungen (§ 40 und § 310) sind zu begrüßen.

Für die Rehabilitation gilt das gleiche wie für die Prävention (s. Punkt 2.2.). Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sind dazu geeignet und befähigt, auch rehabilitative Leistungen auf dem Gebiet der Psychotherapie zu erbringen und zu verordnen. Daher ist eine entsprechende Änderung von § 73, Abs. 2 SGB V hier ebenfalls erforderlich.

2.6. Versichertenbonus in der hausärztlichen Versorgung und Erhalt des Direktzugangs
zu bestimmten Arztgruppen bei Wahl des Hausarztes als Primärarzt (§ 65a)

Wie problematisch das Bonussystem für die Einführung eines Primärarztsystems ist, sei am Beispiel der Psychotherapie erläutert: Psychotherapien stellen primär höhere Investitionen dar, die zunächst nicht Einsparungen sondern Mehrausgaben bedeuten, welche sich allerdings langfristig kostensparend auswirken. Mit einem Bonussystem werden Hausärzte aufgrund von berufspolitischen Erwägungen dazu verführt, psychotherapeutisch behandlungsbedürftige Patienten eher in Eigenregie und unvollkommen (z.B. im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung) zu versorgen unter Zuhilfenahme von - sonst nicht erforderlichen - Medikamenten. Mit dem Angebot dieser primär "billigeren" Behandlung würden die Mißstände wieder herbeigeführt, wie sie vor Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung und vor dem Psychotherapeutengesetz geherrscht hatten.

An dieser Stelle sei aus einer aussagekräftigen Psychotherapiestudie des Consumer Reports zitiert, einer amerikanischen Verbraucherzeitschrift, die 7000 Personen nach ihren Behandlungen psychischer Probleme befragte (zitiert nach R. Hutterer "Die Consumer Reports Studie: "Längere Psychotherapien sind effektiver!", veröffentlicht im Forum Österreich):

"14% der Personen, die in der Studie erfasst wurden, wandten sich mit psychischen Problemen ausschließlich an ihren Arzt (praktischer Arzt)...fast die Hälfte dieser Patienten dieser Patienten erhielten Medikamente ohne Gespräch. ..Die Ärzte überwiesen ihre Patienten mit psychischen Problemen nur zu einem Viertel an psychotherapeutische Spezialisten. Nur die Hälfte der sehr schwer gestörten Patienten wurde überwiesen. 60% der Patienten mit Panikstörungen oder Phobien wurden niemals überwiesen, obwohl spezifische Therapien für diese Störungen bekannt sind. ...22% der Befragten gaben an, daß ihr Arzt keine emotionale Unterstützung angeboten hatte;... 18% gaben an, daß ihr Arzt zu beschäftigt war, um Zeit zum Reden zu haben. Insgesamt erwiesen sich die Ärzte bei der Behandlung psychischer und emotionaler Störungen den professionellen Psychotherapeuten unterlegen."

 

Daß es bei einem Primärarztmodell zu Einschränkungen bei indizierten psychotherapeutischen Behandlungen kommen wird, ist angesichts verbreiteter Einstellungen bei Hausärzten abzusehen, wie sie sich beispielsweise in einem Brief von Herrn Prof. Kossow, dem
1. Vorsitzenden des BDA, an einen unserer Kollegen mit Stellungnahme zum Hausarzttarif der Colonia Versicherung dokumentiert:

"Nicht unbedingt zu einer vernünftigen Grundversorgung gehörende Leistungen wie z.B. die Wahlleistungen im Krankenhaus, ambulante Psychotherapie, Brillen und Kuren sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen oder in der Leistung begrenzt."

 

Damit das mit dem Psychotherapeutengesetz eingeführte Erstzugangsrecht zum Psychotherapeuten nicht indirekt durch die Wahl von Hausärzten als Primärärzte ausgehöhlt wird und Versorgungsmängel auftreten, sollte § 65a Satz 2 wie folgt lauten:

"In der Satzung muß bestimmt werden, daß folgende Facharztgruppen ohne Überweisung
in Anspruch genommen werden können: Psychotherapeuten, Psychiater, ...."

Bezüglich der vorgesehenen Berechnung von Einsparungen durch Wahl des Hausarztes als Primärarzt ist folgendes zu bemerken: Innerhalb eines Einjahres-Zeitraumes können Einsparungen gar nicht unter Aspekten von Qualitätserhalt überprüft und zugeordnet werden. Da davon auszugehen ist, daß vor allem relativ gesunde Patienten das Bonussystem in Anspruch nehmen, da sie weniger ärztliche Betreuung brauchen, daß aber Versicherte in einer Situation, in der sich Symptome und Erkrankungen häufen, eher auf das Bonussystem verzichten werden zugunsten von freieren Untersuchungsmöglichkeiten durch mehrere Ärzte ihrer Wahl, kommt es voraussehbar zu einer Pseudoeinsparung im Bonussystem durch Abwandern, sobald die Patienten kränker werden.

2.7. Verbraucher- und Patientenberatung (§ 65b)

Die gegenüber dem Arbeitsentwurf jetzt verbindlich gemachte Nachweispflicht hinsichtlich der Neutralität und Unabhängigkeit von Einrichtungen der Verbraucher- und Patientenberatungen ist zu begrüßen. Die dadurch entstehenden Aufwendungen sollten allerdings nicht zu Lasten des in § 142 definierten Globalbudgets und damit zu Lasten der kurativen Leistungen gehen.

2.8. Besonderer Datenschutz bei Datentransfer (§ 73 1b/c, § 295)

Der an sich begrüßenswerte Daten- und Befundetransfer zwischen Hausärzten, anderen Ärzten und anderen Leistungserbringern muß der besonderen Schweigepflicht bei Daten und Befunden, die den Intimbereich der Patienten betreffen, Rechnung tragen. In dieser Hinsicht sensible Daten sind in manchen medizinischen Bereichen gehäuft zu erwarten.

Insbesondere in der Psychotherapie fällt eine Fülle von intimen Daten an, deren Weiterleitung sich zum Schutz des Patienten und des psychotherapeutischen Vertrauenverhältnisses verbietet. Patienten erzählen oft erst nach langem Schweigen gegenüber anderen Menschen dem Psychotherapeuten über extrem schambesetzte Ereignisse (z.B. infantilen Mißbrauch) oder Bedürfnisse (z.B. abweichende sexuelle Wünsche und Phantasien), die sie noch nie erzählt haben und bei denen sie auf die absolute Schweigepflicht bauen. Nur im geschützten Rahmen eines diskreten und geschützten Zweier-Dialogs können die Patienten sich erlauben, diese meist selbst abgelehnten und z.T. abgewehrten Seiten ihrer Persönlichkeit auftauchen zu lassen, um sich damit auseinanderzusetzen und adäquate Bewältigungmöglichkeiten zu erarbeiten. Schon eine Weiterleitungspflicht einer präzisen und spezifizierten Diagnose an den Hausarzt oder einen anderen Arzt, die den Hintergrund der Störung anklingen läßt (z.B. Perversion) kann zu einer erheblichen Erschütterung der therapeutischen Beziehung führen.

Daher müßte in der Psychotherapie sichergestellt sein, daß der Therapeut nur diejenigen Daten an andere Ärzte weiterleiten darf, zu deren Weitergabe er vom Patienten ausdrücklich ermächtigt ist und deren Kennnis für andere Behandler für ihr jeweiliges Fachgebiet von Relevanz ist.

Die Psychotherapie bedarf auf jeden Fall eines besonderen Datenschutzes, der nicht zum Zweck externer Effektivitätsüberprüfungen und Systemsteuerungsmaßnahmen eingeschränkt werden darf. Dies gilt gleichermaßen für alle Arten der Datenweitergabe - ob in der kollegialen Zusammenarbeit oder in der Integrationsversorgung, bei der Weiterleitung von Daten an die Krankenkasse mit anschließender Speicherung und der Möglichkeit der Datenzusammenführung oder für Datenerhebungen bei Maßnahmen der Qualitätssicherung.

2.9. Reform der Organe der Selbstverwaltung (§ 77, § 79, § 79b, § 80)

Bei einer Reform der Organe der vertragsärztlichen Selbstverwaltung ist es wichtig, daß die demokratische Legitimation des Vorstandes erhalten bleibt (s. Punkt 1.6.).

a) Zu den Aufgaben des Verwaltungsrates muß daher auch gehören:

- Wahl des Vorstandes

- Erarbeitung von Zielen und Aufgaben für die laufende Wahlperiode

- Einsetzung von Kommissionen und Arbeitsgruppen.

b) Die Beschränkung auf drei Vorstandsmitglieder erscheint insgesamt, vor allen Dingen beim KBV-Vorstand zu eng. Die gegenüber dem Arbeitsentwurf nun vorgesehene Möglichkeit der Erweiterung auf 5 Mitglieder ist sinnvoll. Die Repräsentanz von Hausärzten, Fachärzten, und Psychotherapeuten muß gewährleistet sein.

Wir begrüßen außerdem die vorgesehene Einführung des Verhältniswahlrechtes und die Streichung des § 80 Abs. 1a.

2.10. Honorarverteilungsmaßstab (§ 87a)

a) Problematisch bei einer Aufteilung des Gesamtbudgets in Hausarzt-/Facharztbudgets und Teilbudgetmengen für die integrierten Versorgungsstrukturen wäre, wenn eine Förderung der letzteren ganz zu Lasten der Leistungserbringergruppen vorgenommen würde, die nicht an den geförderten Strukturen teilnehmen/teilnehmen können. Das würde voraussehbar vor allem auch auf Psychotherapeuten zutreffen.

Die beabsichtigte Stützung des Hausarzt-Budgets, die Förderung der Prävention und Rehabilitation und die Förderung der integrierten Versorgung muß bei gedeckeltem Gesamtbudget aus der Restbudgetmenge der Fachärzte finanziert werden. Der jetzt schon vorhandene erhebliche Konkurrenz- und Verteilungsdruck angesichts gesunkener Einnahmen bei den
( Fach-) ärzten in den letzten Jahren muß sich dadurch absehbar noch weiter erhöhen und sich zu allererst an den schwächsten Gliedern der Verteilungskette, zuvorderst den Psychotherapeuten, auswirken. Erschwerend kommt hinzu, daß die KVen sich bei der künftigen HVM-Gestaltung auf die gesetzlichen Vorgaben des Artikel 11 PsychThG berufen können und werden. Dieser Artikel 11 sieht als Referenzpunkt für Stützungsmaßnahmen des Psychotherapie-Budgets ‘99 einen Punktwert von 10% unter den B II-Gesprächsleistungen vor. Mit einem derart vorgegebenen katastrophal niedrigen Referenzpunktwert, mit dem die unerträgliche Honorarmisere der Vertragspsychotherapeuten der letzten Jahre noch einmal ins Bodenlose gesteigert wird, ist die Psychotherapie endgültig dem wirtschaftlichen Scheitern überantwortet. Es dürfen weder die Psychotherapeuten noch andere Facharztgruppen derartigen wirtschaftlichen Pressionen ausgesetzt werden, daß eine Praxisführung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten im allgemeinen nicht mehr möglich ist.

b) Entweder in § 85 Abs. 2 oder in § 87a Abs. 1 sind weitere Kriterien einer verbesserten Verteilungsgerechtigkeit zu verankern, die damit auch der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (s. BSG-Urteil vom 20.1.99 - AZ: B 6 KA 46/97 R) entsprechen
(s. Punkt 1.1.). In § 87 a könnte z.B. Satz 3 folgendermaßen erweitert werden: "Bei der Verteilung der Gesamtvergütung sind Art und Umfang der Leistungen des Vertragsarztes zugrundezulegen sowie Gesichtspunkte der Vergleichbarkeit der Vergütung unter Berücksichtigung der Praxiskosten, der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung sowie der fachgruppenspezifischen betriebswirtschaftlichen Risiken."

c) Die mengensteuernde Wirkungen der Regelleistungsvolumina sollte stärker genutzt werden. Satz 7 in § 87a sollte deshalb lauten:

"Inbesondere soll vorgesehen werden, daß die von einem Vertragsarzt erbrachten Leistungen im Rahmen von Regelleistungsvolumina nach festen Punktwerten vergütet werden."

Diese Regelleistungsvolumina sollten aber nicht - wie bereits in Bayern im Jahr 1998 geschehen - als Individualbudgets ausgestaltet werden können, welche die bestehenden Honorar-Ungerechtigkeiten fortschreiben. Vielmehr sollte eine in einem definierten Zeitrahmen erbringbare, für jede Fachgruppe spezifische, Leistungs- und Punktzahlmenge definiert werden, die durch Einberechnung durchschnittlicher arztgruppenspezifischer Praxiskosten einen vergleichbaren Überschuß für alle Behandlergruppen ermöglicht.

2.11. Institut für Arzneimittelverordnung (§ 92a)

Abs. 2 Satz 2: Es sollte ein Stellvertreter pro Sachverständigem berufen werden, damit die Stellvertretung der Sachverständigen nach Nr.1 der Kommission für die allgemeine Arzneimittelverordnung gewährleistet werden kann.

2.12. Aufteilung in hausärztliche und fachärztliche Versorgungsstruktur (§ 101 Abs.1)

Die Vorab-Festlegung der Prozentverhältnisse von Hausärzten zu Fachärzten in Satz 1 Nr. 2 von 60% zu 40% widerspricht den Erfordernissen einer wissenschaftlich begründeten Bedarfsanalyse. Die differenzierende Entwicklung und Fächerung der medizinischen Diagnostik und Behandlungsmethoden hat auch notwendigerweise zu einer Erweiterung des fachärztlichen Spektrums geführt, sowie dazu, daß der Hausarzt nicht alle Fachgebiete gleich gut überblicken kann. Besonders problematisch wirkt sich die Prozentzahl aus, soweit die Psychotherapeuten den Fachärzten zugerechnet werden. Bei einem Anteil von 15-17% Psychotherapeuten blieben dann für die übrigen Fachärzte nur noch ein Anteil von 25-23%.

Die Prozentangaben entsprechen auch nicht dem in diesem Paragraphen gesetzten Maßstab, daß erst die erforderlichen Datengrundlage für die Bedarfszulassung nach gesetzlich festzulegenden Verhältniszahlen erhoben werden sollen.

2.13. Bedarfsplanung (§ 102 Abs. 2, § 103)

Bei der Auswahl des wissenschaftlichen Institutes und für die Arbeit ist die Fachkompetenz der niedergelassenen Leistungserbringer dringend miteinzubeziehen. Die Möglichkeit der Schließung von Praxissitzen bei Praxisaufgabe in deutlich überversorgten Gebieten ist zu begrüßen. Der Grad der Überversorgung sollte festgelegt werden.

 

2.14. Erleichterungen von Plausibilitätsprüfungen (§ 106a)

Die Erleichterung von Plausibilitätsprüfungen ist zum Schutz der korrekt abrechnenden Leistungserbringer sinnvoll. Der bvvp hat zur Vereinfachung der Prüfung die Verankerung von Zeitkorridoren im EBM vorgeschlagen, wobei die Delegierbarkeit von Leistungsanteilen an Praxispersonal mitzuberücksichtigen ist (s. Punkt 1.1.).

2.15. Zur Problematik der Leistungsbeurteilung nach anerkannten Leitlinien (§ 136)

Hinsichtlich der Bedeutung von Leitlinien zu Diagnostik und Behandlungenmöchten wir zu Bedenken geben: Leitlinien werden oft an idealtypischen Verläufen und oft an Erfahrungen mit stationär behandelten Patienten entwickelt. Die bio-psycho-soziale Multifaktorialität von Krankheitsgeschehen und Patientenverhalten (z.B. Compliance-Probleme, soziale Stressfaktoren etc.) im Praxisalltag setzen der Anwendbarkeit von Leitlinien Grenzen.

2.16. Zur Qualitätssicherung (§ 136a, § 137b, § 275, § 276, § 282, § 294, § 303a)

Alle Anstrengungen, die zur weiteren Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung in der psychotherapeutischen Versorgung beitragen, sind zu begrüßen. Hinsichtlich der Situation in der Psychotherapie ist allerdings anzumerken, daß besondere qualitätssichernde Maßnahmen bereits seit Jahrzehnten zum üblichen Standard gehören. In der Richtlinien-Psychotherapie wird mit einem speziellen Gutachterverfahren eine fortlaufende Überprüfung und Verlaufskontrolle des größten Teils der Behandlungen durch unabhängige Fachgutachter durchgeführt. Darüber hinaus ist es für Psychotherapeuten üblich und unverzichtbar, sich in regelmäßigen Supervisions- und kollegialen Intervisions- und Qualitätsgruppen selbst zu kontrollieren, weiterzubilden und mit spezifischen Fall- und Behandlungsproblemen auseinanderzusetzen.

Dieser regelhafte Standard von Maßnahmen der internen Qualitätssicherung ist im Vergleich zu anderen ärztlichen Fachgruppen am weitesten entwickelt. Sie sind auch jeglichen Maßnahmen externer Qualitätssicherung überlegen, die durch Datenerhebungsinstrumente und Weiterleitung sensibler Daten störend und beeinträchtigend in den therapeutischen Prozeß eingreifen und dabei verändern, überlegen (s. dazu Punkt 1.2. u. 2.8.).

Die wirkungsvollste, unmitttelbar umsetzbare weitere Qualitätssicherungsmaßnahme ist u.E. die Sicherung angemessener Honorare, die den Psychotherapeuten erlauben, unter professionellen Praxisbedingungen ohne wirtschaftliche Bedrohung zu arbeiten und kostenträchtige Fortbildungen (Supervision, Tagungen, Weiterbildungsseminare, weitere Selbsterfahrung u.ä.) in notwendigem Umfang zu finanzieren.

2.16.1. Überprüfung von Qualitätssicherungsmaßnahmen auf Wirksamkeit (§ 136a, § 137b, § 282)

Wichtig erscheint uns die Überprüfung der eingeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit vor allen Dingen auch in folgenden Aspekten:

- Zeitlicher Aufwand und damit verbundener wirtschaftlicher Aufwand der Qualitätssicherungsmaßnahme im Verhältnis zu dem damit erzielten Nutzen. Der zusätzliche zeitliche Aufwand auf Seiten der Leistungserbringer muß finanziert werden.

- Die Untersuchung von nicht gewünschten Nebeneffekten der Qualitätssicherungmaßnahmen.

- Eine kritische Überprüfung und Revision der Qualitätssicherungsmaßnahmen nach einer Erprobungszeit ist vorzusehen.

2.16.2 Prüfung der Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Qualität der
Leistungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen und
Einrichtung von Datenannahmestellen und Arbeitsgemeinschaften zur
Datenaufbereitung (§ 275, § 276, § 294, § 303a)

In § 275, Abs 1 Nr.1 sollte es nur heißen "in der ambulanten Versorgung", zu streichen ist: "einschließlich Psychotherapie und psychotherapeutische Behandlung".

Begründung: Der Zusatz ist nicht erforderlich, zum einen, weil Psychotherapie zur ambulanten Versorgung gehört, zum anderen, weil ohnehin in der Psychotherapie Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit durch ein Gutachtersystem bereits vorbildlich überprüft wird.

Problematisch ist die Prüfung der "Qualität der Leistung" durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), die nur im Sinne einer externen Qualitätskontrolle verstanden werden kann. Bei externer Qualitätskontrolle kommt es bei Psychotherapie notwendigerweise zu negativem Einfluß auf das Behandlungsgeschehen, zur Verfälschung der Datenerhebung und zu Einflüssen auf die Versorgung (z.B. Patientenselektion), so daß internen Qualitätssicherungsmaßnahmen der Vorzug zu geben ist (s. Punkte 1.2, 2.16.).

Darüberhinaus kann in der Regel vom MDK die für jede Qualitätskontrolle unabdingbare weisungs- und interessensfreie Unabhängigkeit nicht gewährleistet werden. Der MDK oder die Kassen dürften außerdem im allgemeinen weder über die notwendige wissenschaftliche Infrastruktur für eine Auswertung und sachgerechte Beurteilung des komplex verknüpften Datenmaterials verfügen, noch über die erforderlichen weit gefächerten spezifischen Fachkompetenzen. Problematisch ist auch der zu erwartende Datentransfer zwischen dem MDK, den Datenannahmestellen nach § 294 und den Arbeitsgemeinschaften zur Datenaufbereitung nach § 303a, da hier insbesondere bei der Psychotherapie sehr heikle Fragen des Datenschutzes besonders intimer und schutzwürdiger Patientendaten aufgeworfen werden.

Auch würde ein entsprechender Ausbau zu kostenintensiven Kontroll-Institutionen führen, deren Nutzen für Qualität und Ökonomie in einem sehr fragwürdigen Verhältnis stünde zu den Schäden auf denselben Gebieten und deren Kosten außerdem aus den knappen Budgets der Leistungserbringer finanziert werden müßten. Es sei hier noch einmal auf die Verhältnismäßigkeit von Aufwand zur Qualitätssicherung und Qualitätskontrollmaßnahmen und Nutzen bzw. Nebenwirkungen dieser Maßnahmen hingewiesen. Besonders zu warnen sind vor reinen Kostenberechnungen, erst recht vor solchen, die kurzfristige Zeiträume vorsehen: Unter solchen Gesichtspunkten würde Psychotherapie als unnötiger Kostenfaktor unter den Tisch fallen. So ist beispielsweise ein aufgrund unzureichender Behandlung auftretender Suicid eines Patienten "billiger" als ein therapeutisch bewirktes Weiterleben des Patienten unter anhaltenden psychotherapeutischen Behandlungskosten. Bei der Qualitätsentwicklung helfen nur hinreichend differenzierende Betrachtungsweisen unter strikter Berücksichtigung der komplexen Faktoren der Feldbedingungen des Untersuchungsspektrums.

2.17. Integrierte Versorgung (§ 140a/b/c/d/e/f/g)

Im derzeitigen Stadium der Entwicklung von Netzstrukturen und Kenntnissen über deren Wirksamkeit oder auch Nichtwirksamkeit bezüglich der Verbesserung der Versorgung bzw. der Kosteneinsparung sollten integrierte Versorgungsformen zunächst als Modellversuche unter wissenschaftlicher Begleitung stattfinden. Das in § 140 vorgesehene komplexe Regelungs- und Berechnungssystem verdeutlicht unseres Erachtens, das erst die Voraussetzungen geschaffen und untersucht werden müssen für wissenschaftlich haltbare Systemvergleiche. Auf folgende Einzelprobleme der jetzt vorgesehenen Regelung sei hingewiesen (s. auch Punkt 1.5.).

a) Es muß sichergestellt sein, daß bei integrierten Versorgungsformen die psychotherapeutische Versorgung durch die Teilnahme von mindestens einem Psychotherapeuten gewährleistet sein muß - ebenso wie mindestens ein Hausarzt jeweils dazu gehören muß.

Begründung: Die Sicherstellung der psychophysischen Versorgung der GKV-Versicherten nach anerkannten medizinischen Standards ist ohne Einbindung psychotherapeutischer Kompetenz und gesicherte niederschwellige Zugangsmöglichkeiten zum Psychotherapeuten nicht gewährleistet.

b) Der Ausgabenabzug vom Budget nach §140c für Leistungen, die außerhalb der Integrationsversorgung erbracht werden, muß sich besonders für Psychotherapien negativ auswirken: Es muß verstärkt mit dem Effekt gerechnet werden, daß Netzärzte aus kurzfristigen Kostenersparnisgründen weniger Psychotherapie verschreiben als indiziert ist, erst recht, wenn die psychotherapeutische Behandlung nur außerhalb des Netzes angeboten wird.

c) Das Bonussystem für Versicherte scheint insofern problematisch, als noch keineswegs erwiesen ist, ob durch die Integrationsversorgung es auch wirklich zu Versorgungsverbesserungen und Einsparungen kommt – s .die oben dargestellte Situation des Sparens an notwendiger psychotherapeutischer Versorgung, was unter Gesichtpunkten der Versorgungsqualität und der langfristigen Kostenersparnis kontraproduktiv sich auswirkt. Auch ist mit Risikoselektionen zu rechnen: Bei Eintreten von Multimorbidität kann der Versicherte zum Beispiel nach Ablauf eines Jahres aus der Integrationsversorgung aussteigen, um den dort praktizierten Versorgungseinschränkungen zu entgehen.

d) Eine wirtschaftliche Bevorzugung der Integrationsversorgung und Abwandern von Leistungserbringern kann zu einer raschen Lahmlegung der bisherigen KV-Strukturen führen - noch bevor sich die neue Versorgungsstruktur überhaupt bewährt hat. Eine derartige Schwächung der ärztlichen Selbstverwaltung wäre im Sinne des Funktionserhaltes des Gesamtsystems ungünstig.

Daß die im Arbeitsentwurf vorgesehene Möglichkeit der Krankenkassen, mit einzelnen Leistungserbringern Verträge zu schließen, gestrichen wurden, begrüßt der bvvp. Denn insbesondere bei der Psychotherapie hätten hier die genannten vordergründigen und kurzfristigen ökonomischen Aspekte einen fatalen Einfluß zum Nachteil von dauerhaft erfolgreichen Behandlungsmaßnahmen gewinnen können. Trotzdem sind sog. "Einkaufsmodelle", die ja eigentlich nach Aussage des BMG nicht mehr in der Diskussion sein sollten, in Form von Modellprojekten leider weiterhin möglich.

2.18. Globalbudget (§ 142)

In der SPD bestand ursprünglich die Absicht, das Budget an der Entwicklung des Bruttosozialproduktes zu koppeln. Diese Koppelung wurde leider verlassen, wäre allerdings eine realistischere Größe, um den medizinischeren Fortschritt, die längeren Überlebens- und Behandlungszeiten von multimorbiden Menschen zu finanzieren.

Unverzichtbar ist, daß das Globalbudget noch um die zur Sicherung der psychotherapeutischen Versorgung notwendige Summe (vgl. 2.19) aufgestockt wird, die dann auch ausschließlich der psychotherapeutischen Versorgung zur Verfügung gestellt werden müßte. Diese Summe ergibt sich aus Fehlbeträgen vor allem aufgrund von zu niedrigen Budgetansätzen im Artikel 11 des PsychThG, die durch das GKV-SolG nur unzureichend verändert wurden (s. Punkte 1.1, 2.10, 2.19)

2.19. Nachträgliche Aufbesserung des Psychotherapiebudgets für 1999

Sofern vorher keine anderen gesetzlichen Regelungsmöglichkeiten für das im PsychThG und GKV SolG definierte, viel zu kleine Psychotherapiebudget gefunden wird, müssen spätestens im Gesundheitsstrukturgesetz die notwendigen Nachbessserungen - auch nachträglich – vorgenommen werden, da dies eine Weichenstellung für die Folgejahre bedeutet (s. Punkte 1.1., 2.10., 2.18.)

Die bisher schon prekäre Situation im Bereich der Vertragspsychotherapie bis ‘98, die bereits zu Einschränkungen bei der Qualität der vertragspsychotherapeutischen Versorgung geführt hat, hat sich mit Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes noch einmal erheblich verschärft. Denn bei der Budgetfestlegung wurden im Richtlinienbereich die Leistungserbringer-Zuwächse der Jahre ‘97 und ‘98 (ca. 20-30 %) nicht berücksichtigt. Und über die Anwendung der Übergangsvorschriften werden auch mehr Erstattungspsychotherapeuten ins GKV-System kommen, als ursprünglich angenommen wurde und als durch Psychotherapeutengesetz in Verbindung mit dem GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz gegenfinanziert ist.

Unsere aktuellen, auf vorliegenden Zahlen und realistischen Annahmen basierenden Schätzungen gehen von einer Zunahme der Psychotherapeuten - einschließlich Ärzte - auf insgesamt 20 000 Leistungserbringer (Teilzeittätigkeiten dabei bereits entsprechend berücksichtigt) aus. Bei dem jetzt zur Verfügung stehenden Gesamtbudget für Psychotherapie ‘99 nach PsychThG iVm dem GKV-SolG von rd.1,3 Milliarden DM könnte ein Psychotherapeut durchschnittlich nur noch einen Umsatz von 65 000,- DM pro Jahr erzielen, von dem noch alle Kosten zu bestreiten sind.

Nur durch Korrekturen seitens der Politik kann eine bedrohliche Entwicklung aufgehalten werden. Mindestziel hinsichtlich der Sicherung der Versorgung und der längerfristigen Überlebensmöglichkeiten psychotherapeutischer Praxen muß sein, psychotherapeutische Leistungsbringung so zu vergüten, daß damit überhaupt ein Arbeiten unter wirtschaftlichen Bedingungen ermöglicht wird. Dabei geht es nicht darum, daß jeder Psychotherapeut ein gesichertes Einkommen unabhängig von eigenem Zeitaufwand und Arbeitsleistung erzielen kann, sondern darum, daß mit psychotherapeutischer Praxistätigkeit bei Vollauslastung überhaupt ein angemessenes und mit anderen Fachgruppen noch vergleichbares Einkommen erzielt werden kann, mit dem man in der Lage ist, eine Familie zu ernähren (s. Punkt 1.1.). Das kann nur mit der Sicherstellung eines Mindestumsatzes von 145,- DM pro Behandlungsstunde (entspricht einem Punktwert von 10 Pf) gewährleistet werden.

Wir meinen, daß vor allen Dingen für die Aufbauleistungen der Vertragspsychotherapie von 1990 bis 1999, mit Verdoppelung der Zahl der Leistungserbringer und der erbrachten Leistungen, die Krankenkassen bisher noch keinerlei Budgetaufstockung vorgenommen haben und daher in der Pflicht stehen.

Der übereinstimmend von KBV, bvvp und anderen Verbänden geschätzte, und auf den neuesten Daten basierende Mehrbedarf geht deutlich über unsere bisherigen Schätzungen hinaus und beträgt deutlich über 2 Mrd. DM.

Freiburg, den 17.8.1999

Dr. B. Clever,  Dr. F. R. Deister,  N. Bowe


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