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Tilmann Moser
Amercan Sniper, der Rekortkiller

Psychoanalytische und sozialpsychologische Überlegungen

Dass der Film mit sechs Oscars in den USA alle Aufführungsrekorde bricht und bereits mehrere hundert Millionen Dollar eingespielt hat, erstaunt, verwundert, macht beklommen, erschreckt und scheint doch ein hypernationalistisches Phänomen, wird in den USA von rechts jedefalls, begeistert begrüßt und kommentiert, in Europa eher ambivalent bis entsetzt rezensiert, trotz anerkannter filmischer Qualitäten. Die frühe Zerstörung der kindlichen Einfühlung wie des unreifen Überichs des späteren Helden wird gleich eingangs gezeigt: der Junge wird vom Vater zum vierjährigen Jäger dressiert, in einem Alter, in dem sonst Kinder an ihrer Tierliebe wachsen. Der Vater, Geschäftsmanna und auch frommer Diakon, teilt die Menschen ein in Schafe, Wölfe und Hütehunde. Die erste tödliche Schussszene im Film gestaltet überrupelnd eine überwältigende und perfide Rechtfertigung des Schusses für den noch nicht moralisch einorientierten Zuschauer. Sie belehrt uns und mahnt: Die irakischen„Bestien“, als erste eine Frau, missbraucht ein natürlich, so wird suggeriert, grausam missbrauchtes Kind, es soll die von der Mutter aus ihren Gewändern ihm überreichte Rakete in eine Gruppe nichtsahnender Gis werfen, was natürlich ihren Tod zufolge hätte. Selbstverständlich muss der Held das Kind im allerletzten, rettenden Augenblick erledigen. Dann will die Mutter den Job übernehmen, der zweite Schuss erledigt sie auch sofort. Die ethische Einstimmung: Rettung der Gis in letzter Sekundeist geschafft, alle weiteren Tötungen mit dem Zielfernrohr von hoch oben sind kein Problem mehr.

Soldat Kyfe, der Rekord-Scharfschütze, wollte angeblich gar kein Held sein, nur seinen engagierten Dienst für das Vaterland tun, aber mit rekordverdächtigem Killer-Ehrgeiz und meisterlicher handwerklicher Präzision. Zum Helden macht ihn erst der Film von Clint Esastwood als Regisseur und die zum Teil hymnischen Kommentare nationalistischer Amerikaner.

Ich untersuche zuerst die Autographie von Christ Kyle, die er mit zwei literarischen Helfern verfasste, erschienen 2012 unter dem Titel „American Sniper. The Autobiography of the Most Letal Sniper in U. S. Military History“, deutsch ebenfalls 2012, bereits in der sechsten Auflag 2015, als „Sniper. 160 tödliche Treffer – Der beste Scharfschütze des US-Militärs packt aus“. Danach den zweieinhalbstündigen Film, der wochenlang auch die großen Sälke deutscher Kinos füllte.

Welche nationalen Wunden soll der als Seelentrost aufgenommene Film wohl heilen?

Die USA sind in einer schweren Selbstwertkrise: Demütigender Abzug aus Afghanistan,

durch unversöhnlichen Parteienstreit gelähmte Regierung, Hilflosigkeit im Nahen Osten,

in der Ukraine, in Israel, gegenüber Iran, fortdauernder Rassismus, usw.

Folgt man dem fast 400 Seiten langen Text der rühmenden Selbstdarstellung, so lässt sich die allmähliche Entfaltung der späteren „Legende“, also der Vollendung des Rekord-Killers genauer verfolgen, der ununterbrochen seinen Stolz betonte, ein Mitglied der Seals, also der Top-Elitetruppe der Navy zu sein: „Ich hatte fast drei Jahre damit zugebracht, mich zum Krieger ausbilden zu lassen.“ (S.12) Er wächst mit der zunehmenden Dämonisierung der zu bekämpfenden Feinde, die sich aus der früheren Armee von Saddam Hussein entwickelten. „Es war das schiere, unbeschreibliche Böse, dem wir im Irak den Kampf angesagt hatten.“ Es waren die „Wilden“, die Schurken, die Finsterlinge, der Abschaum, die für ihn nach nichts Anderem trachten, als möglichst viele amerikanische Soldaten zu töten. Und umgekehrt über sich: „Du tust es, damit der Feind dich und deine Landsleute nicht töten kann. Du tust es, bis niemand mehr übrig bleibt, den du erschießen kannst.“ … „Ich habe keinerlei Probleme damit zu sagen, dass ich mochte, was ich tat. Auch heute noch“ (16)

Wenn einer als der „Böse“ ausgemacht ist, gibt es kein Pardon, er muss ausgeschaltet werden, Gefangene werden nicht gemacht. „Für mich gibt es nur Schwarz und Weiß. Grauschattierungen existieren für mich praktisch nicht.“ (17) Der tragende Background lautet für den „gläubigen Christen“ … „Gott, Vaterland, Familie.“ (17) Das Fesselnde an der Geschichte ist, dass man in den langen Jahren des erfolgreichen Tötens keine Entwicklung und Reifung des verbietenden oder des schützenden Überichs entdeckt, sondern, abhängig von der väterlichen Erziehung oder der militärischen Indoktrination, nur die Entfaltung eines ebenso bedrängenden, leitenden, ja fordernden oder sogar terroristischen Ideals, das kaum Konflikte zwischen den üblichen Instanzen nötig macht. Das funktionierende Ich lebt vorwiegend im Einklang mit einem Helden-Ichideal gereift, das zuerst durch die familiäre Bestätigung, später durch Anerkennung und Befehl der Armee und noch drastischer durch die Normen der Eliteeinheit der SEALs ausgebildet wurde.

Der Jagd- und Waffennarr Vater bringt ihm seine primitive Gattungslehre der Menschheit als predigender Diakon bei: „Schafe, Wölfe und Hütehunde“. Kyle hält sich an diese Einteilung, die irakischen Schurken sind die Wölfe, er selbst ist ein Hütehund und tut nichts anderes, als die Herde der Kameraden zusammen zu halten und zu beschützen. Seine offiziell gezählten und amtlich bestätigten und prämierten 160 Abschüsse unterstehen dem Prinzip „Gerechtigkeit“, die Schurken haben es nicht anders verdient. Kyles Größenphantasien sind früh angelegt, schon in seiner Zeit als Rodeo- Champion sagt er: „Ich hielt mich damals für den Herrscher der Welt.“(21) Früh übt sich: „Mein erstes Gewehr bekam ich, als ich sieben oder acht Jahre alt war.“ (21) Als er nach demütigenden Ablehnungen von den „Seals“ zur Schulung akzeptiert wurde, wird deutlich, dass er die brutale Schleiferei nicht nur übersteht, sondern rechtfertigt und genießt. Sie wird im Film ausführlich gezeigt und entspricht genau dem, was Kurt R. Eissler unnachahmlich analysiert hat in seinem Aufsatz „Die Seele des Rekruten – Zur Psychopathologie der US-Armee“ (1945, deutsch 1982)) über die Zurichtung von tötungsbereiten Gehorsamsmaschinen der Soldaten (In: K. Zinnecker-Mallmann, Hg . „Diese liebende Verehrung… „, Frankfurt 2013). „Ich fand es toll. Ich hasste, verabscheute und verfluchte es … aber fand es trotzdem toll.“ (34), und er betont stolz: die Durchfallquote habe „über 90 Prozent betragen.“ (35) Selbst das „waterboarding“ gehörte schon zum passiven Lernprogramm. Dem „radikal Bösen“ begegnet er schon einmal, zusammen mit seiner Frau, am Bildschirm, als die beiden Türme des Welthandelszentrums unter den Flugzeugangriffen der Terroristen brennend zusammenfallen. Seitdem ist Rache sein scharf schießendes Lebensprinzip, dem er sich aber beim Drücken des Abzugs angeblich „cool“ hingibt, „mit chirurgischer Präzision.“, was alle möglichen Bremsfaktoren der nie mehr infrage gestellten Grausamkeit ausschließt. Außerdem gilt: schon „Das Training war bestimmt von einer unerbittlichen Konkurrenz“. (62) und das gilt um so mehr für den Ernstfall, wo es um die Zahl der amtlich bestätigten Abschüsse geht. Erst recht bestimmt sie den im Film dämonierend dargestellten Endkampf der zwei Scharfschützengiganten auf beiden Seiten der Front,also von Gut und Böse: Der „gerechte“ Held erledigt den Schurken durch seine größere Genauigkeit des Zielens und der Kaltblütigkeit des Abdrückens. Im Vorfeld der Kämpfe heißt es: „Warum prügeln sich SEALS so oft? … ich gehe

davon aus, dass dies auf unterdrückte Aggressionen zurückzuführen ist. Wir sind dazu ausgebildet, in die Schlacht zu ziehen und Menschen zu töten … gleichzeitig wird uns eingeredet, wir seien unbesiegbare Teufelskerle.“ (66) Kyle verfällt in seinem Kampfrausch dem gleichen Unverletzlichkeitsmythos wie Ernst Jünger mit „In „Stahlgewittern“, wenn es zum Sturmangriff voran geht. Er ist die Voraussetzung für jede Art von Tollkühnheit, die jederzeit mit einem persönlichen „Schutzengel“ rechnet.

Kyle fördert noch eine andere Rechtfertigung seiner extremen Tötungsleidenschaft zutage: „Die amerikanischen Steuerzahler hatten eine beträchtliche Menge Geld in meine Ausbildung als SEAL investiert. Und ich wollte nun unbedingt meinem Land dienen, meine Pflicht erfüllen und meine Arbeit erledigen. … Mehr als alles andere wollte ich jedoch den Nervenkitzel der Schlacht erleben.“ (85) Natürlich sind die „Aufständischen“ Feiglinge, und sie nehmen „regelmäßig Drogen … um sich Mut zu machen.“ (100), und deshalb kann Kyle stolz schreiben: „Ich tötete an diesem Tag eine Menge Iraker – das taten wir alle“, aber mit wir sind die „normalen“ Elite-Soldaten gemeint, nicht der Scharfschütze auf dem Dach, der es verschmäht, auf Kopfschüsse aus zu sein: Körpertreffer sind einfach wirkungsvoller und leichter zu erzielen, weil sie den Gegner sofort innerlikch zerfetzen.

Wie bei Jünger ist der gefährlichste Feind des erstrebten Kampfrauschs die „Langeweile“, die unvermeidlich in den Gefechtspausen eintreten kann. Das bedrohliche Wort durchzieht den ganzen Text und hilft bei der Rückgewinnung der mörderischer Verbissenheit, auch bei dem mit einem Jagdausdruck gekennzeichneten „heranpirschen“ an den Ort, „der für den jeweiligen Auftrag perfekt geeignet ist.“ (111) Der Leser wird ausführlich orientiert über die vier Waffengattung für den sniper und deren Wirksamkeit und Treffsicherheit auf verschiedene Entfernungen. Auch dabei ist eine eiserne Rekordsucht auf durch den Schuss überwundene Entfernungen vom „Wild“ im Gang.

Ein ganz rudimentäres Überich, oder besser auch wieder Ichideal will ihn nötigen, an die viermal für sehr lange Monate für Kampfeinsätze verlassene Ehefrau und ihr Baby zu denken, die immer wieder, oft mit dramatischer Stimme versucht, ihn zur Heimkehr oder den Verzicht auf eine neue Meldnung in den Krieg zu drängen. Er betont immer wieder, sich den Kameraden viel stärker verbunden zu fühlen als seiner „Familie“, für die er gleichwohl schwärmt und die er angeblich heilig hält. Babys aber, so meint er brauchen noch keinen Vater, und es wird deutlich, dass ihm aus den ersten Phasen des eigenen Lebens keine zärtliche und bindende Vorstellung geblieben ist. Was die Mutter für ihn als Baby und Kleinkind vermutlich getan hat, ist unter dem Andrang der väterlichen frühen Übernahme der Erziehung offensichtlich abhanden gekommen. Neben der eigenen Erhebung zur „Legende“ der 160 tödlichen Treffen erhebt er auch durch die Wiedergabe viele Briefe und Telefonate der verzweifelten Frau samt seiner Gedanken und leeren Bekenntnisse über sie auch Taya, so ihr Name, zu einer beispielhaften Heldenfrau, die den Millionen GI-Frauen und-Witwen zum Vorbild dienen kann. Denn sie bleibt trotz böser Gedanken und Vorhaltungen treu und empfängt ihn bei jeder Rückkehr aus dem Krieg als pflichtgetreu liebende Gattin, der auch drängende Erpressung nichts hält, bis sie ihn verändert, ja zerrüttet wieder endgültig willkommen heißt. Dazu noch einmal typisch: „Ich hatte ein schlechtes Gewissen, Taya alleine zu lassen. Sie erholte sich immer noch von der Geburt unseres Sohnes. Aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass meine Pflicht als SEAL Vorrang hatte. Ich wollte wieder an Einsätzen teilnehmen. Ich wollte wieder in den Krieg ziehen. (Er sicher Urlaub bekommen zur Geburt des ersten Kindes, tm) „Zu jenem Zeitpunkt (lügt er) liebte ich meinen Sohn zwar, hatte noch keine intensive Beziehung zu ihm aufgenommen. Ich gehörte nie zu der Sorte Väter, die Hände auf den Bauch ihrer Frau legen, wenn das Baby strampelt. Ich habe mich mit dieser Art von Intimitätsbezeugungen immer etwas schwer getan …,“ (131) Es ist im Film immer schmerzlich grotesk anzusehen, wenn sie ihn grade beim Töten erwischt und er sich herauswindet mit den Worten, es sei alles in Ordnung, es gehe ihm gut. Als die Kinder dann vorzeigbar ins erziehungsfähige Alter kommen, gibt er dem Sohn den entsprechenden kriegerischen Unterricht. Immerhin hat er beim Kampf so viel Introspektion, dass er sagen kann:

„Ich war voller Adrenalin und bereit, mich ins Gefecht zu stürzen.“(137) Als der Einsatz zur Schlacht bevorsteht, „fieberte ich der Schlacht gespannt entgegen. Ich wollte ein Ziel. Ich wollte jemanden erschießen.“ (156) … „Nachdem ich den ersten Schuss abgegeben hatte, fielen mir nächsten leichter.“ Als er der Frau in einem Urlaub in aufbrechendem Mitteilungsdrang grausame Kampfgeschichten erzählen will, schreibt sie: „um herauszufinden, ob ich damit zurechtkam“, und meint: „Ich versicherte ihm, dass es mir wirklich egal sei, was er im Krieg getan habe. Ich unterstützte ihn vorbehaltlos.“ Und sie ist voll unterstützend auf seiner Seite, in von ihm übernommener Sprache: „Jede einzelne Handlung eines Soldaten auf die Goldwaage zu legen, der gegen einen heimtückisch agierenden, kranken und hemmungslosen Feind antritt, ist mehr als lächerlich; es ist verabscheuungswürdig.“ (171): „Mein Ziel fiel um. Ich suchte ein neues. Und ein neues. Und so ging es immer weiter.“ (180), noch immer im Größenwahn: „Ich schätze, zu jenem Zeitpunkt war ich wirklich überzeugt, ich könnte alles auf Gottes grüner Erde treffen.“ (193) Damit man sich ihn bei der Lektüre vor dem Film vorstellen kann, ist er in dem Buch neben Jungendfotos mehrfach abgebildet in Kampfpositionen, darunter eines mit Zielfernrohrgewehr im Anschlag, mit dem Hinweisext: „Ein anderes Versteck, das ich in derselben Schlacht verwendete.“ (zu S. 193)

Der Auftrag an die USA-Armee im Irak war, für einen neuen demokratischen Staat zu kämpfen. Er abers schreibt: „Ich kämpfte nie für die Iraker. Sie waren mir scheißegal.“ Leider muss Taya aufschreiben: „Er war der festen Überzeugung, es wäre das Größte, auf dem Schlachtfeld zu sterben. Ich versuchte ihm das auszureden, aber er blieb stur.“ (210) Er meint dazu über seine Heimaturlaube: „Aber der Übergang vom Krieg zum heimischen Alltag war jedes Mal so etwas wie ein Schock.“ Sie kommt nicht klar mit seinen Veränderungen, erlebt die Ehe bedroht, denn „wenn er dann da ist, läuft es nicht einmal ansatzweise rund.“, auch sexuell, (obwohl oder weil)) er als erstes sagt: „Ich will dir die Kleider vom Leib reißen.“ (219) … „Als er verlängerte, dachte ich, ein SEAL zu sein, ist ihm wichtiger, als ein Vater oder Ehemann zu sein.“ (228)

„während meines Heimataufenthaltes wurde Taya zum zweiten Mal schwanger. … Wir redeten darüber …aber Ich war eine SEAL … Mein Land befand sich im Krieg und brauchte mich. Ganz abgesehen davon vermisste ich den Krieg. … Ich liebte es, Schurken zu töten.“ Er erlebt noch die vorzeitige Notgeburt, und ihm dämmert etwas Neues: „Ich hatte Todesangst um meine Frau. … Und endlich bekam ich einen Eindruck davon, was sie tagtäglich durchmachte, während ich im Krieg war. Es war eine schreckliche Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, die ich in jenem OP-Saal erlebte. … Zwei Tage später ging ich fort.“ Er hatte Angst zu spät zu kommen zum Kampf: „Ich befand mich gerade auf einem der Dächer, als das Gefecht begann. Innerhalb weniger Augenblicke feuerten wir mit allem, was wir hatten … Wohl oder übel legten wir die Moschee in Schutt und Asche.“ (251) Im Lauf der Lektüre wird immer verständlicher, warum die nicht kooperierenden Iraker die Amerikaner hassten wie die Pest. Er aber stürzt sich in ein Schwärmen über sämtliche wirksamen Waffen, „mit denen man den Feind ausschalten kann.“ (254) „Wir hatten einen Riesenspaß.“ (255) In dem 400-Seitenbuch sind er und seine Männer immer die Sieger. „Wir, (die NEALS, tm) sind eine Elitetruppe innerhalb der Elitetruppe.“ (260) Die ganze Verachtung der von den USA auszubildenden irakischen Armee gilt den neuen Kompanien und zeigt den amerikanischen Monopolanspruch auf den wirksamen Kampf: „Ich finde, die ganze Idee, dem Krieg ein irakisches Gesicht zu verleihen, war Schwachsinn.“ Gebetet wird „vor jeder Operation“ trotzdem, er allerdings „nicht vor jedem Einsatz“.

Eine Aufzeichnung von Taya, als sie widerwillig ein Video anschaut, auf dem der Vater dem Sohn vorliest, über ihreGefühle: „Nennen wir es ruhig meine Wut auf Chris – du bist weg, hast uns verlassen, meinetwegen kannst du auch fernbleiben.“ (291) Er berichtet in der gleichenZeit stolz: „Die Aufständischen hatten angeblich sogar ein Kopfgeld auf mich gesetzt. Sie hatten mir auch einen Namen gegeben: al-Shaitan Ramadi, ´der Teufel von Ramadi`“ (293) Als er mit einem Schuss zwei Mopedfahrer erledigt, heißt es kühl: „Zwei Fliegen mit eine Klappe.“ (311) Unabhängige Kampfbeobachter sahen genau auf die sogenannten „Einsatzregeln“, Schüsse auf Nichtkombattanten sollten bestraft werden. Er aber weiß: „Ich war mir stets sicher, dass ich die Richtigen aus den richtigen Gründen erschoss.“ Aber seine Kameraden scheinen es besser gewusst zu haben: „Kein Wunder, dass jeder, den du siehst, ein Feind ist.“ (314) Sie haben ihn trotzdem rausgehauen, denn „dass man Kriegern nicht die Hände binden soll, wenn man sie schon in die Schlacht schickt.“ (316) Taya: „Nicht jeder SEAL fährt von einem Auslandseinsatz zum nächsten, und das gleich mehrmals hintereinander.“ (330) Aber das Vaterland will es: „Wir gingen in die Stadt und töteten alle schlechten Menschen, die wir dort finden konnten.“ (335) Als Taya wieder einmal verzweifelt wenigstens den Vater für die wachsenden Kinder anmahnt, merkt er: „Jetzt zerbröckelt etwas …meine Ehe. Das war die größte Baustelle.“ (338) Aber: „Ich war zum Töten ausgebildet; und ich war sehr gut darin. … und es machte mir Spaß. Sehr sogar.“ … „Am nächsten Tag erschoss ich insgesamt sieben Aufständische, am nächsten Tag sogar noch mehr.“ Den atemlosen Ereignisrausch kann der Text nicht voll darstellen, der Film ertrinkt dann bis zu lähmender Langeweile in fast dreistündigem Kampfrausch, der sich mit filmischen Mitteln bis zum Exzess steigern lässt. Der Jury war der Film sechs Oscars wert, darunter sicher auch mit patriotischen Stimmen der US-Mitglieder.

Kyle wird spät noch höherer Kommandeur, chief, als Auszeichnung ohne die sonst übliche Prüfung. Als er schwer herzkrank wird, wird er wenig später vorzeitig nachhause geschickt, sehr zu seinem Kummer. Sein Lohn: „Ich höre oft, dass ich Aberhunderte Leben gerettet habe.“ (376) Er bleibt natürlich nicht untätig, plant mit einem Freund „eine Scharfschützenakademie zu gründen.“ (382) „Und so entstand mir nichts dir nichts Craft International.“, wieder „die absolute Elite.“ (383) „Als er zwei Jahre alt war, begann ich meinem Sohn das Schießen beizubringen, und zwar mit einem einfachen Luftgewehr.“ Etwas später: „Er hat bereits ein eigenes Gewehr, einen Unterhebel-Repetierer im Kaliber .22, er bekommt schon ganz ordentliche Schussbilder hin.“ (385) Taya meldet: „Chris und ich haben bereits mehrmals darüber geredet, wie es wohl wäre, wenn unsere Kinder dem Militär beitreten würden.“ (386) Aber dann beginnt der Abstieg: „Ich trank immer mehr Bier. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass ich damals depressiv war und in Selbstmitleid versank. … Nach einer Weile stieg ich auf harte Alkoholika um und fing schon morgens damit an.“ (387) Ein schwerer Autounfall wird zum „Weckruf“. Er tritt einer Selbsthilfeorganisation bei, die „möglichst vielen Kriegsinvaliden“ helfen will bei der Rückkehr ins zhivile Leben. Er geht selbst mit Kriegsversehrten auf die Jagd und auf den Schießstand. „Ich bin jetzt in erster Linie ein Ehemann und Vater. … Ich habe die Liebe zu meiner Frau neu entdeckt.“ (391) Beide Partner stimmen einen gemeinsamen Gesang der neuen Liebe an: „Vielleicht ist unsere Beziehung toleranter und reifer geworden, vielleicht ist sie aber auch nur anders. Sie ist immer noch wunderbar.“ (393) Jetzt, da er endlich nicht mehr kämpfen kann, meint sie, anscheinend wieder vorbildhaft glücklich, „dass ich mich geliebt fühle. Und ich spüre, dass die Kinder du ich ihm wichtig sind.“ (393) Und er bilanziert zufrieden: „ich bereue nichts. Ich würde jederzeit wieder genauso handeln, wie ich es getan habe.“ … deshalb „habe ich ein reines Gewissen.“ (394) „Jeder, den ich erschoss, war böse. Jeder Schuss war gerechtfertigt. Sie haben es verdient zu sterben.“, meinte er, fast mit der Stimme des obersten Richters.

Viele neue Wohltaten für Gott, Vaterland und Familie waren ihm nicht mehr vergönnt.

Ein anderer, stärker verstörter Veteran beendete sein Leben auf einem Schießstand.

Das Filmepos.

Wehe dem Land, das s o l c h e Helden braucht. (frei nach Brecht)

Der Streifen endete nach fast drei Stunden mit einer Art Staatsbegräbnis für ihn. Die Straßen, durch die die Autokarawane zum Friedhof fährt, sind gesäumt mit begeistert US-Fähnchen schwingenden jugelnden Fans und bewundernden, trauernden Bürgern besetzt. Eine Brücke über die Straße bildet eine staunende Galerie der Verehrer. Eine Ehrengarde gibt ihm das letzte Geleit, die Fahne auf seinem Sarg wird voll Andacht Fahne zusammengefaltet, ein Posaune erklingt zum Abschied und ein Kamerad heftet die 160zigste Abschussprämie zu den anderen auf den Sarg aus edelstem Tropenholz.

Clint Eastwood kann sich nicht genug tun mit der endlosen Wiederholung von Kampfhandlungen, typischerweise Häuserkampf mit eingetretenen oder aufgesprengten Türen. Verängstigten Bewohner flehen um Gnade und fliehende Bösewichter werden nach wilden Verfolgungsjagden erledigt. Inmitten zerstörter Elendsquartiere und ganzer Straßenfluchten pirschen sich bis an die Zähne bewaffnete, das Sturmgewehr nach scharfen Kommandos schwenkende Elite-GIs an die nächste Türe, immer Deckung suchend vor den irakischen schurkischen Heckenschützen. Sie feuern und bringen notfalls feindverseuchte Häuser mittels Granaten zu Einsturz, womit die ganze böse Bewohnerbrut vernichtet ist. Leichenberge, die überstiegen werden müssen, zeugen von den Erfolgen des Straßenkampfes, die meisten Toten haben natürlich die Helden in ihren Tarnuniformen erledigt. Während man nach eineinhalb Stunden auf eine Ende hofft, beginnt der lange Schlusstumult mit ungeheurem Lärm und im durch einen wilden, alles verdunkelnden und verdeckenden Sandsturm, eine Anspielung wohl auf das, was anderen Orts und anderen Films Apokalypse genannt wird, aus der die Gerechten und Gottgefälligen fast unbeschädigt hervorgehen.

Der Zuschauer ist bildlich und akustisch und ideologisch überwältigt, aber die Schlussszene der Erschießung des glanzvollen „Kreuzritters“ bleibt ihm erspart, das Bild könnte den Glanz der Bilder beschädigen. Laut schwatzend verlassen die meist jugendlichen Besucher die dichten Reihen der größeren‚ oft ausverkauften Säle des Kinos. Der uralte Clint Eastwood hat eine neue Helden-Identifikations-Figur für die an sich selbst zweifelnden USA mit Pomp inthronisiert, alle Einspielrekorde gebrochen und eine nationale Wegweisung in eine bessere Zukunft geschaffen.

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