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Sehr geehrter Herr Böttcher,

meine Frau, Dr. Almuth Bruder-Bezzel und ich möchten auf Ihre mailing-liste.

Ich habe gleichzeitig eine Bitte:
Können Sie die beigefügte Ankündigung des Kongresses der
Neuen Gesellschaft für Psychologie im März 2013 zum Thema:  
Machtwirkung und Glücksversprechen – Gewalt und Rationalität in Sozialisation und Bildungsprozessen

mit dem Call for Paper auf Ihre Home-Page setzen?

Mit besten Grüßen

Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder
(Vorsitzender der Neuen Gesellschaft für Psychologie)

 

Call for Papers

Machtwirkung und Glücksversprechen – Gewalt und Rationalität in Sozialisation und Bildungsprozessen
Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie
7. bis 10. März 2013 in Berlin

Wir sind Zeugen und Mitwirkende einer Transformation von Bildung und Erziehung,
die historisch wohl ohne Beispiel ist
und die Spanne vom Säugling bis zur lebenslangen Qualitätssicherung und Zertifizierung „erfasst“ und „nutzt“.
An den Hochschulen folgt die Bildungspolitik dem Plan von Bertelsmann, der Spaltung in „Exzellenz“ und „Masse“,
der Verwandlung des Interesses am Studienfach in die Jagd nach Credit Points,
in Einübung von Konkurrenz und dem Kompetenzerwerb in dieser Sozialform.
Dazu wurde die Anzahl der Studienleistungen erhöht,
die Inhalte in voneinander losgelöste Module zerstückelt, die wiederum von fachfremden Managern akkreditiert werden.
Nicht nur der höchste Bildungsabschluss zählt, sondern auch die Zeit, in der er erreicht wurde.
Nützlich wohl, dass Studierende mit knappen ökonomische Mitteln sich verschulden müssen, um mithalten zu können.
Studium – das fällt denjenigen auf, die es noch anders erlebt hatten – gibt es nicht mehr.

Die Jungen schmiegen sich nach den verschiedenen Formierungen, die jetzt Reformen heißen,
dieser Entwicklung an und die Alten stehen ihnen dabei im Weg.
Wer mag sich der Notwendigkeit „marktkonformer Bildung“, die „bessere Verwertbarkeit“ verspricht, entziehen?
Das Wesen der Konkurrenz ist die Aufteilung in Gewinner und Verlierer,
das basso ostinato der Wettbewerbsgesellschaft. Sie fängt früh an.
Das Vorspielen klassischer Musik könne die mathematische Begabung intrauterin fördern, wollen manche Eltern glauben.
Die Wahl der Kindertagesstätte wird befrachtet mit Überlegungen, ob das Kind genug gefördert werden kann
und nicht in seiner Entwicklung beeinträchtigt werden könnte,
weil die anderen sprachlich noch nicht soweit oder sogar nicht einmal Muttersprachler sind.
(Das gilt natürlich nicht für Muttersprachler aus dem westlichen Raum.)
Gut, wenn mit Englisch im Kindergarten angefangen wird oder das Kind an einer zweisprachigen Kita ist.
In offenen Gruppen muss sich das Kind selbst um die Ressource Erzieher kümmern,
ähnlich der Ressource Lehrer im jahrgangsübergreifenden Lernen.

Die bedrängte Mittelschicht muss sowohl um die eigene als auch die Karriere ihrer Sprösslinge fürchten
und macht deswegen tüchtig mit bei der Konkurrenz.
In der trügerischen Hoffnung, den eigenen Sprösslingen bessere Startvorteile zu verschaffen
machen die Eltern sich zu Botschaftern der Bildungsoffensive in der eigenen Familie.

Dem Förderwahnsinn auf Seiten der Eliten, steht die Vernachlässigung der Abgehängten gegenüber.
Manche können sich noch mit Ritalin ans rettenden Ufer bringen,
andere haben längst innerlich an ihrer Schule gekündigt,
können auf niemanden in ihrem Umfeld zurückgreifen, um die Defizite der schulischen Vermittlung zu kompensieren.

Auszubildende werden später, bspw. im pflegerischen Bereich, als billige Arbeitskräfte missbraucht
und müssen oft zusehen, wie sie sich ihr Fachwissen aneignen.
Das Schulsystem zerfällt in Gymnasien und den Rest, das Gymnasium in G8 und andere, die noch ein Jahr extra brauchen.

Der Bildungsprozess wird beschleunigt, es reicht Goethes Faust exemplarisch an einer Szene durchzunehmen.
Unter dieser Zurichtung von Beginn des Lebens an verkümmern Bildungsprozesse zur Ausbildung von Fähigkeiten,
die nur in Arbeitsverhältnissen, unter Verwertungsbedingungen, eingesetzt werden können.
Ein selbstbestimmter Einsatz des eigenen Wissens ist kein bildungspolitisches Ziel.

Wir fragen danach, wie diese Prozesse von Bildung und Sozialisation heute von statten gehen.
Wie sind sie zu entschlüsseln? In welcher Form wird da gebildet und sozialisiert?
Was ist ihre Rationalität? Wir fragen nach konkreten Beispielen.
Wir fragen nach einer gesellschaftspolitischen Rahmung dieser Prozesse.
Entsprechen sie der ökonomischen Produktion von Ungleichheit?
Welchen gesellschaftspolitischen Bezugsrahmen braucht eine Kritik der Psychologie in dieser Hinsicht?

Welche Formen der Zurichtung, welche Formen der Gewalt verstecken sich in diesen Prozessen,
so dass die Subjekte diese selbst kaum mehr als gewaltförmig wahrnehmen? Welche Dialektiken liegen ihnen zugrunde?
Wie drückt sich in den Bildungs- und Sozialisationsprozessen Macht aus?
Ist das Glücksversprechen ernstgemeint oder nur ein Köder?
Ist der Diversifizierung verschiedener Laufbahnen auch eine positive Seite abzugewinnen?
Mehr Freiheit auch für Randständige?

Wie verstrickt sind Psychologen in Bildung, Pädagogik, Psychotherapie und Coaching?
Was heißt psychologischer Fortschritt und was kann er heißen in diesem Kontext umfassender Intensivierung?
Wie hängen die Bildungsanforderungen und -ziele mit modernen Verheißungen
wie zum Beispiel Glück, Liebe, Erfolg, Freiheit usw... zusammen?

Wir wollen diese Fragen gesellschaftskritisch zwischen politischer Ökonomie und postmodernen Ansätzen reflektieren.

Wir laden dazu ein,
Vorschläge für Kongressbeiträge mit Titel und einer Zusammenfassung von ca. 300 Wörtern

bis zum 31.08.2012 an
orga@kongress2013.ngfp.de

zu senden.

(pdf-Datei dieses Textes zum Drucken)

Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch, Jörg Hein, Benjamin Lemke

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