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Fehlinformation durch die Berliner Psychotherapeutenkammer
auf dem Hintergrund falscher Auskünfte
des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
gegenüber dem Deutschen Bundestag.

1. Eine Bitte an die Berliner Psychotherapeutenkammer
2. Eine Antwort des Vizepräsidenten der Kammer
3. Eine kurze Stellungnahme dazu
4.
Fehlinformationen des BMG gegenüber dem Bundestag
5. BDP und Europarecht (neu)
6. Ein Plädoyer für die interdisziplinäre Psychotherapie (neu) 4.3.04

 

Der Anlaß: In der Mailliste der Berliner Blätter wurden Probleme mit den Telefon-Suchverzeichnissen für Patienten bei der KV-Berlin diskutiert, wobei solche auch auf der Website der Berliner Psychotherapeutenkammer festgestellt wurden. In diesem Zusammenhang ergab sich dann auch folgende Bitte an die Berliner Psychotherapeutenkammer und deren Antwort:

Berlin, am 22.02.2004

An das Präsidium
der Kammer für Psychologische Psychotherapeuten
und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Land Berlin

über: info@psychotherapeutenkammer-berlin.de


Sehr geehrte Damen und Herren,

auf der Website der Kammer für Psychologische Psychotherapeuten
und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Land Berlin

steht unter

Patienteninfo

"Nach dem Studium der Psychologie kann der Diplompsychologe eine staatlich anerkannte Therapieausbildung von mindestens drei Jahren anschließen und so die Berufszulassung (Approbation) erlangen. Beim Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut gilt u.a. auch das Studium der (Sozial-)Pädagogik als Voraussetzung."

Und weiter unten:

"Psychologischer Psychotherapeut:
Nach dem abgeschlossenen Studium der Psychologie absolviert der Diplom-Psychologe eine psychotherapeutische Zusatzausbildung an einer staatlich anerkannten Ausbildungsstätte, die sich über mindestens drei Jahre (ganztägig) bzw. fünf Jahre (berufsbegleitend) erstreckt. Nur, wer aufgrund dieser Ausbildung die Berufszulassung (Approbation) nach den Bestimmungen des Psychotherapeutengesetzes erhalten hat, darf sich „Psychotherapeut“ oder „Psychologischer Psychotherapeut“ nennen und sowohl Erwachsene als auch Kinder behandeln."

Diese Patienteninfo ist insofern nicht richtig, als sie den § 12 Psychotherapeutengesetz mißachtet.

Dort heisst es:
"§ 12 Übergangsvorschriften

(1)Wer im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes, ohne Arzt zu sein, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung an der psychotherapeutischen Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten im Delegationsverfahren nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung der Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Psychotherapie-Richtlinien in der Neufassung vom 3. Juli 1987 - BAnz. Nr. 156 Beilage Nr. 156a -, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 12. März 1997 - BAnz. Nr. 49 S. 2946), als Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mitwirkt oder die Qualifikation für eine solche Mitwirkung erfüllt, erhält bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 auf Antrag eine Approbation zur Ausübung des Berufs des Psychologischen Psychotherapeuten oder eine Approbation zur Ausübung des Berufs des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach § 1 Abs. 1 Satz 1. Das gleiche gilt für Personen, die die für eine solche Mitwirkung vorausgesetzte Qualifikation bei Vollzeitausbildung innerhalb von drei Jahren, bei Teilzeitausbildung innerhalb von fünf Jahren, nach Inkrafttreten des Gesetzes erwerben."

Das bedeutet, daß es neben Diplompsychologen auch Angehörige anderer akademischer Disziplinen gibt, die eine Approbation als Psychologischer Psychotherapeut erhalten können und tatsächlich auch erhalten haben, wenn sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des PsTh.G an der vertragsärztlichen Versorgung mitgewirkt haben oder die Voraussetzungen dazu erfüllten.

Ich halte eine umgehende Korrektur Ihrer Patienteninfo im Zuge der Gleichbehandlung für dringend notwendig und bitte deshalb darum.

Die Folgen dieser Fehlinformation machten sich bisher nicht nur durch Irritation bei Patienten bemerkbar. Auch der Eintrag in das Arzt-/Psychotherapeutenregister oder die Kostenübernahme durch Private Krankenkassen wird erschwert, weil nach dem Vorliegen des Psychologiediploms gefragt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Gerd Böttcher.

 

Der Vizepräsident der Berliner PsTh-Kammer gab mir am 25.2.2004 eine persönliche Antwort, die ich deshalb nicht als offizielle Stellungnahme der Kammer verstehe. Darin heisst es:

"Ob man diesen Paragraphen so lesen kann wie Sie ihn lesen, gibt es unter Juristen deutlichen Streit.
......................................................................................
Wir wissen von Berlin, daß die garnicht bemerkt hatten, daß mehrere Approbationserteilungen an diesen Personenkreis gingen, daß es ihnen aber inzwischen aufgegangen ist und sie überlegen, ob sie das einfach übersehen oder diesen die Approbation wieder aberkennen, wovon sie überzeugt sind, dies zu können.Wir haben vertraulich mitgeteilt, daß wir kein Interesse an einer Änderung, insbesondere Aberkennung, haben.Wir wissen aber auch, daß das noch nicht geschaukelt ist und jeder öffentliche Wirbel sie zu einer negativen Reaktion provozieren.
................................................................................................................. "


Aus meiner Antwort gebe ich folgenden Auszug wieder:

" ..... Aber heute nur kurz zum aktuellen Thema § 12 PsThG. Sicher wird man immer Juristen finden, die das fachlich zu begründen versuchen, was der Auftraggeber ihnen vorgibt. Davon leben sie schließlich. Die Aufklärungsarbeit zum § 12 ist etwas mühsam. Ich mußte das schon der Approbationsbehörde in meinem Fall erklären, obwohl ich ein abgeschlossenes Psychologie-Nebenstudium nachweisen konnte, aber eben ohne Diplom, das es zu meiner Zeit noch gar nicht an allen Universitäten gab. Und selbst die Sozialrichterin und der KV-Justititiar waren bei meinem Sozialgerichtsverfahren ratlos, der KV-Justitiar mit hochrotem Gesicht und fast Schaum vor dem Mund. Sie hatten sich alle nicht die Mühe gemacht, die Entwicklung der Psychotherapie-Richtlinien und-Vereinbarungen zurückzuverfolgen. Sie waren alle auf dem Stand (19??- Jahreszahl müßte ich nachlesen), als auch für die Zulassung zum Delegationsverfahren ein Psychologiediplom Voraussetzung wurde. Leider hatten sie die wegen des Vertrauensschutzes grundgesetzlich notwendigen damaligen Übergangsregelungen nicht gründlich gelesen. Diese Übergangsregelungen verwiesen nämlich immer auf frühere Übergangsregelungen, die dann schließlich zu den ersten PT-Richtlinien und PT-Vereinbarungen führten, als grundsätzlich alle akademische Vorberufe nicht nur für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (früher in Berlin noch Psychagogen genannt), sondern auch für die Erwachsenenpsychotherapie im Delegationsverfahren hinzugezogen werden konnten. Das Grundgesetz erlaubt eine Gesetzgebung ohne Übergangsregelung nur, wenn mögliche Schadenserwägungen im Blick auf die Volksgesundheit den Vertrauensschutz in Frage stellen können. Das konnte keiner nach den langjährigen Erfahrungen mit dem Delegationsverfahren ernsthaft tun.

Einem von Ihnen angedeuteten Verfahren zur Aberkennung der Approbation würde ich mit großer Gelassenheit engegensehen. Sollte es tatsächlich Kräfte geben, die solches anstreben, und ich zweifle nicht einmal daran, dann würde ich der Parole "Stillehalten und keine schlafenden Hunde wecken" nicht folgen wollen. Hunde kann man nur schwer, wenn sie müssen, am Bellen hindern. Aufklärungsarbeit ist nötig. Dazu ermuntert uns ja auch das Todesjahr Kants, der die selbstverschuldete Unmündigkeit der Bürger immer wieder zum Thema gemacht hatte. Und Sie wollen ja sicher auch nicht, daß wir unsere Mündigkeit an der Garderobe von Psychotherapeutenkammern abgeben. .....................................................

Gerd Böttcher."

Schon die Systematik des Psychotherapeutengesetzes hätte die Zweifelnden eines Besseren belehren können:

Wird in den Ziffern 2 -5 der Übergangsregelungen des PSThG (§12) jeweils auf Diplompsychologen oder auf Abschlüsse im Studiengang Psychologie verwiesen, so beschränkt sich die Ziffer 1 gerade NICHT auf Diplompsychologen, sondern schließt alle diejenigen ein, die ohne Arzt zu sein, im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung an der psychotherapeutischen Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten im Delegationsverfahren nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung der Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung als Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mitwirkten oder die Qualifikation für eine solche Mitwirkung erfüllten.

Leider enthält auch der Sachstandsbericht des BMG, der zur Expertenanhörung am 23.6.99 vor dem Gesundheitsausschuß des Deutschen Bundestages vorgelegt wurde, diese Falschinformation.  

Weiter zum Sachstandsbericht (anklicken)

(Hinweis: Sie kommen, wenn Sie auf der nächsten Seite auf "Zurück" klicken, wieder an diese Stelle im Text)

Abschließend einige Gedanken

aus meinem Antwortschreiben an den Vizepräsidenten der Berliner Psychotherapeutenkammer:

Lieber Herr Bertram,

zunächst besten Dank für die prompte Antwort.

Heute, aus Zeitgründen, nur eine kurze Antwort zu Punkt 1

Auch wenn ich Ihnen viel persönliche Sympathien entgegenbringe, habe ich in dieser Angelegenheit doch einen ganz anderen Standpunkt. Das wird mir umso deutlicher, wenn ich mir noch einmal Ihre frühere Presseerklärung zum Euro
parecht (Link dazu, siehe unten), die ich eben in die Psychotherapeutenliste eingab, verdeutliche.

Meine langjährigen Erfahrungen bestätigen mir immer wieder: Sowohl Medizinalisierung wie Psychologisierung der Psychotherapie sind für ihre Weiterentwicklung schädlich. Sie halten es ja für einen Fehler in der Gesetzeskonstruktion des Psychotherapeutengesetzes, daß es die Psychotherapie als Ausbildungsberuf konstruiert und nicht als Weiterbildung in Psychologie oder Medizin. Darüber ist aber schon lange vor Beginn des Gesetzgebungsverfahrens diskutiert worden. Schon bei der Diskussion um den Länderentwurf des Berliner Gesundheitssenats war die Frage eigentlich nicht strittig, sondern sie kam immer wieder nur von Seiten des BDP, der damals noch mitten im Verbändekrieg eben die antiärztliche Parole verbreitete: "Die Psychotherapie wird psychologisch sein oder sie wird nicht sein." Das war verständlich gegenüber dem Unverständnis vieler Ärztefunktionäre, die sich nichtärztliche Psychotherapeuten als Heilberuf nicht vorstellen konnten. Leider kam es nie zu einem fachlich begründeten Gespräch, das notwendig gewesen wäre, um die didaktischen Probleme einer Psychotherapieaus- oder weiterbildung anzupacken. Diese Kritik übte ich, wie sie vielleicht wissen, auch an der Ausbildung in meinen Fächern Psychoanalyse, Tiefenpsychologie und Gruppenpsychotherapie. Sie kennen ja sicher auch die Kritik des renommierten Psychoanalytikers Kernberg, der manche psychoanalytischen Institute mit Priesterseminaren verglich. In der Besinnung über die didaktischen Grundlagen psychotherapeutischer Ausbildung sähe ich mittelfristig eine Aufgabe für die Psychotherapeutenkammern. In der "Berliner Akademie für Psychotherapie" hat man damit ja bereits begonnen.

Auch die europäische Entwicklung zeigt, daß sich eine interdisziplinäre Psychotherapie bewährt, die sich eben nicht auf eine medizinische oder psychologische Ausbildung beschränkt.

So werden wir wohl in Sachen Europarecht an verschiedenen Fronten kämpfen. Aber ich hoffe, wir werden es fair und sachlich tun.

Mit freundlichen Grüßen

Gerd Böttcher.

Link zum Thema "BDP und Europarecht" (anklicken)

NEU 4. März 2004

Fortsetzung von "BDP und Europarecht"

Waren es nahezu 100 Jahre lang Ärzte, die den Zugang von sogenannten "Nichtärzten" zur selbständigen Ausübung von Psychotherapie verhindern oder mindestens erschweren wollten, so deutet sich jetzt an, daß es die "Nichtpsychologen" sind, die man bei einer europagerechten Novellierung des Psychotherapeutengesetzes verhindern will. Daß es bei der Eingliederung der Psychotherapie in die gesetzliche Krankenversorgung auch "Nichtpsychologen" gab, die die Voraussetzungen zur Teilnahme am sog. Delegationsverfahren erfüllten, wird auch in einem Geschichtsrückblick der Landeskammerpräsidenten Kommer und Wittmann verleugnet, wenn es dort heisst:.

 

1972 Änderung der Psychotherapie-Richtlinien: Bald nach Inkrafttreten der ersten Psychotherapie-Richtlinien wird deutlich: Die psychotherapeutische Versorgung lässt sich allein durch Ärzte auch nicht annähernd sicherstellen. Die DGPT setzt sich dafür ein, psychoanalytisch qualifizierte Diplom-Psychologen an der Versorgung zu beteiligen. Zur Sicherstellung der Versorgung wird deshalb das sog. "Delegationsverfahren" eingeführt, nach dem Diplom-Psychologen als Heilhilfspersonen der Ärzte bei Bedarf herangezogen werden können. Rechtlich und fachlich bedeutet dies die Subordination der Psychologischen Psychotherapeuten unter die Gesamtverantwortung des Arztes trotz vergleichbarer Qualifikation. Auch wirtschaftlich bleiben die Psychotherapeuten von den Ärzten abhängig, weil den Patienten kein Erstzugangsrecht zu einem Psychotherapeuten ihrer Wahl zusteht.

(Quelle *pdf-Format)
Psychotherapeutenjournal 0/2002

Auf dem Weg zu einer Bundespsychotherapeutenkammer

Historische Ausgangspunkte und Perspektiven für
eine Bundesvertretung der Psychologischen
Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten

Dipl.-Psych.Detlev Kommer
Präsident der Landespsychotherapeutenkammer
Baden-Württemberg
Hauptstätterstr. 89, 70178 Stuttgart
Dr. Lothar Wittmann
Präsident der Psychotherapeutenkammer
Niedersachsen
Marienstr. 16, 30171 Hannover

Kann es so schnell in Vergessenheit geraten, daß sich eine große Zahl von Diplompsychologen bei von der KBV anerkannten nicht-diplompsychologischen Supervisoren in Richtlinienverfahren nachqualifizieren ließ, um von der KV zugelassen zu werden. Darunter waren hohe BDP-Funktionäre !

Zur Erinnerung: Die psychotherapeutische Versorgung wurde nach 1945 von Psychoanalytikern in Gang gebracht. Und hier wußte man um die alte Geschichte der sogenannten "Laienanalyse". "Laienanalytiker", wie sie von Ärzten genannt wurden, waren es, die die Grundlagen erkämpften, die schließlich zum Psychotherapeutengesetz führten. Was Kommer und Wittmann oben schreiben, ist zum Teil grobe Geschichtsklitterung. Die oben erwähnte DGPT vertrat über die ganzen Jahre eine eben nicht nur auf Ärzte und Psychologen bezogene interdisziplinäre Psychotherapie. Und was Kommer und Wittmann "Subordination" nennen, war in Wirklichkeit eine großartige Kollegialität innerhalb der vorgegebenen rechtlichen Möglichkeiten. Über diese Geschichte der sogenannten Laienanalyse referierte ich auf einer berufspolitischen Veranstaltung an 5.10.89 in Darmstadt, also 10 Jahre vor dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes.

Link zu:

Ein Plädoyer für die interdisziplinäre Psychotherapie

Fortsetzung folgt (Qualität und Wissenschaft)


Diskussion in der Newsgroup der Berliner Blätter
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für Fachangehörige (mit Anmeldung)

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